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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Gestalten ausging – aber die Ausgeburten der Hölle kamen ihm nie so nahe, daß sie ihn hätten ernsthaft verletzen können.
    Ganz langsam beruhigten sich Bill Flemings vibrierende Nerven wieder.
    Im Augenblick drohte ihm keine Gefahr – das war erst einmal die Hauptsache. Wie er hier wieder herauskam, mußte die Zukunft erweisen. Vor allem brauchte er einen klaren Kopf dazu, mußte nüchtern überlegen, und das gelang ihm jetzt, da er nicht mehr von einem so unmittelbaren Grauen geschüttelt wurde, schon wesentlich besser.
    Der Dämon führte ihn einen Gang hinunter.
    Oder besser einen Tunnel, verkleidet mit allen möglichen Goldornamenten, angelegt von Menschen oder Schattenwesen. Die schweigende Prozession der leuchtenden Gerippe folgten ihnen. Sie erreichten eine steile Steintreppe, der Puma ging voran, und Bill zählte genau dreiunddreißig Stufen.
    Er wußte nicht, ob das irgendeine Bedeutung hatte. Aus schmalen Augen beobachtete er, wie zwei Skelette ein weiteres goldenes Tor öffneten. Wieder öffnete sich vor Bills Augen eine große Grotte – und hier herrschte eine Beleuchtung, die er nur als Finsternis bezeichnen konnte und in der er doch unerklärlicherweise jede Einzelheit erkannte.
    Die Statue stand auf einem riesigen Sockel.
    Eine stumme, reglose Statue aus einem Material, das Bill nicht genau definieren konnte. Der gelblich schimmernde Schakal-Leib schien aus Sandstein zu bestehen. Rot und schwarz leuchteten die Federn des gräßlichen Vogelkopfes, scharf wie ein Messer war der mörderische Hackschnabel, und die gelben Augen ruhten auf dem Amerikaner mit einem Ausdruck schrecklicher, namenloser Drohung.
    Tukákame!
    Der Herr der Finsternis!
    Bill wußte es, obwohl er nie ein Bildnis dieser gräßlichen Gottheit gesehen hatte. Er spürte es einfach. Die Aura des Bösen, die die Statue umgab, war so schrecklich und intensiv, das sie Bill förmlich bannte und für Sekunden ein würgendes Schwindelgefühl in ihm erzeugte.
    Seine Gedanken verwirrten sich.
    Irgend etwas tief in ihm schien sich auflösen zu wollen, er glaubte zu sinken. Mühsam riß er sich zusammen und zwang sich, seinen Blick von der Schreckensstatue zu lösen.
    Unterhalb des mächtigen Sockels entdeckte er drei kleinere Steine.
    Dunkle Quader, deren Zweck ihm auf den ersten Blick unklar blieb.
    Sie hätten an Altäre erinnert – aber da gab es schwere goldene Ketten mit breiten Ringen, die dazu bestimmte schienen, sich um Handoder Fußgelenke zu schließen. Jeder Stein wies an seiner Schmalseite eine Vertiefung auf, in der ein goldener Dolch ruhte, und wie in einer Vision tauchten vor Bills Augen Bilder aus der fernen Vergangenheit der Azteken auf.
    Götter, die Menschenopfer verlangten.
    Unglückliche Männer und Frauen, die auf Opfersteine geworfen wurden, denen die Priester jener barbarischen Religion bei lebendigem Leibe die Herzen aus dem Körper rissen und…
    »Tukákame wird leben«, drang die Stimme des Puma-Dämons an sein Ohr. »Der erste Teil der Prophezeiung ist erfüllt, denn die Geister der Azteken sind befreit aus jahrhundertelanger Verbannung. Drei Opfer verlangt der Herr der Finsternis. Die Herzen dreier Mädchen werden ihm die Kraft geben, die Ketten zu brechen und auf die Welt zurückzukehren, um seine Widersacher zu besiegen. Komm mit und sieh…«
    Bill folgte der Aufforderung.
    Der Goldene Puma führte ihn zurück in die Grotte mit dem steinernen Sessel.
    Langsam und majestätisch nahm er wieder auf seinem Thron Platz, und seine Hand wies auf eine kleinere Nebengrotte im Hintergrund der Höhle, die Bill erst jetzt bemerkte. Wie unter einem Zwang ging der Amerikaner darauf zu – und stoppte erst, als er die zischenden, züngelnden Schlangen sah, die den Eingang bewachten.
    Trotzdem konnte er die Gestalt erkennen, die in der Grotte auf dem Boden kauerte.
    Ein Mädchen…
    Eine junge Huichol, sechzehn oder siebzehn Jahre alt, mit den weichen, verängstigten Zügen eines Kindes. Das lange tiefschwarze Haar floß wie ein Mantel um den nackten Körper, und in den dunklen Augen, die Bill anblickten, lag ein stummes, verzweifeltes Flehen.
    Wie Glockenschläge hallten die Worte des Dämons durch die Grotte:
    »Sie hat sich verirrt in unser Reich. Sie war ein Kind, als sie kam. Wenn die Zeit erfüllt ist, wird sie Tukákames erstes Opfer…«
    ***
    Mexico City lag in strahlendem Sonnenschein, als Zamorra und Nicole auf dem Flughafen den Jumbo-Jet verließen.
    Nicole stand dem ganzen Unternehmen immer noch skeptisch

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