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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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verschlafene Nest Coalcomán de Jalisco duckte.
    »Es gibt keine Straßen hier«, erläuterte Christofero Uvalde. »Handel, medizinische Versorgung – das alles passiert aus der Luft. Vermutlich ist es dieser Tatsache zu danken, daß die Huichol bis heute ihre Eigenständigkeit bewahrt haben.«
    »Das heißt, daß sie tatsächlich noch der alten aztekischen Religion anhängen?« vergewisserte sich Nicole.
    »Das tun sie. Allerdings haben sie eine spezielle Variante, eben den Peyote-Kult. Wobei wichtig zu wissen ist, daß es bei diesem Kult ursprünglich nicht um den Kaktus ging, sondern um den Hirsch, das Totem-Tier der Huichol, das die Hauptnahrungsquelle dieses Volkes war, bevor sie mit dem Maisanbau begannen. Ihr Gott Tamatz Kallaumari, der oberste aller Hirsche, ließ aus dem Geweih seines Bruders den Peyote-Kaktus wachsen. Und im heiligen Tal wird dieser Kaktus nicht etwa gepflückt, sondern gejagt, regelrecht mit Pfeilen getötet und ausgeblutet.« Uvalde lächelte, als müsse er sich entschuldigen. »Ich weiß, für einen Europäer klingt das alles höchst befremdlich und verrückt. Vom Blickwinkel des Huichol aus ist es dagegen nur logisch.«
    »Auf jeden Fall ist es äußerst faszinierend. Welchem Zweck dient nun eigentlich diese Pilgerfahrt in das heilige Tal?«
    »Der Reinigung von den Sünden«, sagte Uvalde trocken. »Man könnte es vielleicht mit dem Sakrament der Beichte vergleichen. Nur daß die Huichol ungleich größere Mühen und Strapazen auf sich nehmen. Außerdem ist der Peyote-Rausch nicht ganz harmlos – er birgt immer die Gefahr von Tod oder Wahnsinn…«
    Der Mexikaner unterbrach sich, da Joaquin Sabinas den Hubschrauber auf den Dorfplatz hinunterdrückte. Staub wirbelte auf, die Menschen, die zusammengelaufen waren, wichen zurück vor dem Luftwirbel des Rotors. Erst als die Blätter sich nur noch träge und flappend drehten, kamen die Männer in ihren farbenprächtigen Trachten wieder näher.
    Die Begrüßung war steif und zeremoniell und verlief offenbar nach strengen Regeln. Nicole und Zamorra wurden dem Dorfältesten vorgestellt – einem zerknitterten, aber erstaunlich drahtigen, kräftigen Mann namens Tuxai, der sie in holprigem Spanisch willkommen hieß. Mit Christofero Uvalde und dem Piloten, die er offenbar beide kannte, wechselte er zwei Dutzend höflicher Floskeln, danach ging er voran in eins der weißen, schattigen Häuser, wo für die Besucher ein Mahl bereitstand.
    Ein köstliches Mal, wie Zamorra zugeben mußte. Über offenem Feuer geröstete Maiskolben, junger Mais in den verschiedensten Zubereitungsarten, Kürbisscheiben, gekochte Kakteen, schwarze Bohnen, viel Chili und natürlich hauchdünne Tortillas. Als Getränk wurde Tequila gereicht, mit einem scharfgewürzten bräunlichen Sirup und dem Saft grüner Zitronen, danach Kaffee, der leicht säuerlich nach irgendeiner Frucht schmeckte und ungemein erfrischend wirkte. Die Huichol, vorwiegend ältere Männer, verhielten sich schweigsam und tauten erst ein wenig auf, als sie sahen, daß die fremden Besucher nicht nur aus Höflichkeit, sondern mit gutem Appetit von den angebotenen Köstlichkeiten nahmen.
    Das Gespräch schleppte sich zunächst umständlich und zeremoniell in einem blumenreichen, feierlichen Spanisch hin. Danach führte Uvalde die Unterhaltung in der utoaztekischen Sprache der Huichol weiter, und Nicole und Zamorra konnten den Verlauf der Verhandlungen in etwa am Gesichtsausdruck des Dorfältesten ablesen.
    Zuerst verriet Tuxais zerknitterte Physiognomie lediglich Zustimmung und Interesse.
    Offensichtlich fühlte er sich geehrt durch Uvaldes genaue Kenntnis des Peyote-Kultes. Dann jedoch signalisierten die gerunzelten Brauen des Dorfältesten Abwehr. Zuerst wirkte er irritiert, verständnislos – und dann redete und gestikulierte er eine Weile mit sichtlichem Entsetzen.
    Uvalde versuchte, ihn gestenreich zu beruhigen.
    Zamorra verstand ein paarmal den Namen Tamatz Kallaumari – offenbar wollte der Mexikaner seinen Landsleuten irgendwie einreden, daß das, was er oder vielmehr der fremde Professor plante, zum Ruhme ihrer Götter geschehe. Tuxai schüttelte beharrlich seinen schmalen Schädel. Zamorra wußte nicht, welcher Argumente oder vielleicht nur kühner Behauptungen sich Uvalde noch bediente – aber allmählich begann sich im zerknitterten Gesicht des Alten ein Gesinnungswandel abzuzeichnen.
    Tequila wurde aufgefahren.
    Nicht, wie in Europa und vermutlich auch in den größten Teilen Mexicos üblich,

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