003 - Im Kabinett des Grauens
tat.
Die Frau stürzte aus dem fünften Stock in die Tiefe. Auf der anderen
Straßenseite hielt sich an dem betreffenden Tag ein gewisser Walt Gunhill rein
zufällig auf, hatte seine Kamera dabei und knipste jede Phase des Sturzes bis
zum tödlichen Aufschlag. Die Bilder gingen um die ganze Welt, die Zeitungen und
Illustrierten rissen sich darum und zahlten für die Rechte horrende Preise.
Gunhill hatte sein Geschäft gemacht. Aber vier Monate später kam die Sache
heraus. Er wurde vor Gericht gestellt. Vorsätzlicher Mord, lautete die Anklage
des Staatsanwalts. Gunhill war zu weit gegangen. Man steckte ihn hinter
Gefängnismauern, so wie sich das für Gesetzesbrecher gehört. Damit Sie
einstweilen einen Eindruck davon bekommen, wie die Luft hinter Kerkermauern
ist, sperre ich Sie jetzt in den Keller, den Sie freundlicherweise für mich
ausgewählt hatten.«
Genau
das tat X-RAY-3. Er drängte Jellman in den dumpfen Raum, bückte sich dann am
Ende der Treppe, hob die Waffe auf, die der Reporter in seiner Angst vorhin
hatte fallen lassen, und steckte sie ein.
Der
Keller enthielt kein Fenster. Larry drückte die Tür zu, ohne auf Jellmans
Protest zu achten. »Ich komme in zwei bis drei Stunden zurück. Vielleicht holt
Sie auch ein Bobby ab. Drücken Sie die Daumen, dass ich Sie nicht vergesse!«
sagte Larry, während er von außen den schweren, eisernen Riegel vorschob und
dann noch den Balken quer davorlegte, der an der Wand neben der Tür hing.
Jellman
trommelte von innen dagegen und schrie aus Leibeskräften, aber es war
unmöglich, dass ihn auf der Straße jemand hören konnte.
Die
Mauern waren dick, der Hof draußen groß, und die aufragenden Trümmer des Hauses
dienten zusätzlich als akustischer Wall. Dahinter begannen die Straße und der
Lärm.
Und
es war so gut wie sicher, dass er aus eigener Kraft auch nicht imstande war,
sich aus seinem Gefängnis zu befreien.
Ein
Ochse hätte seine ganze Kraft aufbieten müssen, um das Hindernis, das die
bohlenstarke Tür entgegensetzte, zu durchbrechen.
Mit
großen Sätzen hastete Larry Brent die steilen Stufen empor, durchquerte den
finsteren Hof und eilte hinaus auf die hellerleuchtete, lärmerfüllte Straße.
Mit dem Strom der Passanten ließ er sich über den Zebrastreifen schieben, den
Blick auf den Eingang des Bahnhofs gerichtet.
●
Sie
hatte sich hinter dem großen Baumstamm verborgen, beobachtete die Straße und
das Anwesen von Mr. Flemming. Einmal fuhr ein Wagen vor. Silvia notierte die
Nummer. Ein Pärchen stieg aus, kaufte zwei Karten und besichtigte das
Wachsfigurenkabinett. Doch sie blieben nicht lange. Silvia sah wenig später,
dass der junge Mann seine Begleiterin am Arm zurückführte und gleich darauf
wieder losfuhr.
Der
greise Kassierer tauchte am erleuchteten Eingang zwischen den handgeschnitzten
Säulen auf. Er blickte gelangweilt in die Runde, murmelte irgendetwas in den
Bart, warf dann einen Blick auf seine Armbanduhr, zog schließlich den
Schlüsselbund hervor und schloss die große Eingangstür ab. Silvia sah ihn
wenige Minuten später an einem der Seitenausgänge, auch hier die Tür
verriegelnd.
Wenige
Minuten später ging der Greis mit gebeugtem Rücken über den schmalen Weg auf
den angebauten Pavillon zu und verschwand hinter der knarrenden Tür.
Im
ersten Stock brannte noch immer Licht hinter den zugezogenen Vorhängen. Einmal
sah Silvia einen Schatten.
Mr.
Flemming? Er war es sicher. Außer ihm und dem alten Kassierer wohnte niemand
dort. Sie zog den dunkelgrauen Pelzmantel enger um ihre Schultern, den sie
vorhin aus dem Bentley geholt hatte. Ihre vollen, geschwungenen Lippen wirkten
hart und entschlossen. Sie hatte das Gefühl, in einem Film mitzuwirken. Sie
hatte Interesse daran – und Spaß. Sie hatte den Agenten im Verdacht, dass er
genau gespürt hatte, wie groß ihre Neugierde war. Es ging hier etwas vor, das
zu erfahren sie reizte.
Plötzlich
zuckte sie zusammen.
Ein
Geräusch erfüllte die Luft. Im ersten Augenblick dachte sie, dass es vielleicht
von einem sich nähernden Lastwagen komme, dann glaubte sie, dass es ein
Hubschrauber sein müsse – und schließlich sah sie, was es war. Ein Hubschrauber
– aber einer von recht merkwürdiger Art. Er stieg unmittelbar hinter dem
Wachsfigurenkabinett, zwischen dem flachen Vorbau und der dunklen Felswand auf.
Rotierende
Flügel an einem armdicken Gestänge – und darunter ein Mensch. Ein Mensch, der
auf einem kleinen Sitz an diesem Gestänge klebte, als sei er damit
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