003 - Im Kabinett des Grauens
verwachsen.
Ein Einmannhubschrauber. Die rotierenden Flügel rissen das seltsame Fluggerät
in die Höhe. Für einen Augenblick schien es, als stünde es still in der Luft.
Silvia
erkannte die Umrisse eines kräftigen, muskulösen Menschen. Dann knatterte und
krachte die Luft über den kahlen, schwarzen Stämmen. Zwei, drei Sekunden lang.
Silvia de Sorente sah, wie die Person verzweifelt an einem Hebel zerrte. Und
dann herrschte fast völlige Stille. Die rotierenden Flügelschrauben drehten
sich fast lautlos, sie winselten, säuselten wie der Wind.
Silvia
hielt den Atem an. Es schien, als habe der geheimnisvolle Fremde an dem
Einmannhubschrauber eine Art Schalldämpfer eingesetzt, um das verräterische
Geräusch der rotierenden Luftschrauben zu verringern. Der Hubschrauber
verschwand im Nebel und in der Finsternis, und für einen Augenblick noch sah
die junge Schauspielerin einen dunklen, verwaschenen Punkt, der sich lautlos
entfernte.
Minuten
verstrichen. Silvia wusste nicht, wie sie das Erlebnis einordnen sollte. Es war
wichtig, das spürte sie unbewusst, und sie zuckte zusammen, als sie sich vorstellte,
dass die Gestalt auf dem kleinen Sitz des Hubschraubers Derry Cromfield gewesen
sein könnte. Der Mann war unnatürlich groß und kräftig, genau wie Cromfield!
Doch Cromfield war eine Wachsfigur, und Wachsfiguren lebten nicht.
Unwillkürlich
richteten sich ihre Augen auf den pavillonähnlichen Anbau, der direkt am Abhang
stand, zu dem eine Reihe schmaler Treppen hinaufführte.
Hinter
den zugezogenen Vorhängen im ersten Stock erkannte sie noch immer den schwachen
Lichtschein. Mr. Flemming hatte seine Wohnung nicht verlassen – oder – und bei
diesem Gedanken lief unwillkürlich ein Schauer über ihren Rücken: Mr. Flemming
hatte eben durch einen Geheimgang sein Haus verlassen! Vielleicht hatte er
etwas mit den Dingen zu tun? Wenn aber Flemming nicht dort war – dann war
logischerweise nur noch der alte Kassierer im Haus.
Ihre
Gedanken schlugen die tollsten Kapriolen. Sie merkte, wie sie, von einer
eigenartigen Unruhe und Neugierde getrieben, das sichere Versteck verließ, das
Larry Brent ihr zugewiesen hatte, und dass sie sich dem schmalen Weg näherte,
der zum Pavillon hinaufführte.
Ruhe,
Finsternis und Einsamkeit umgaben sie. Sie fürchtete sich nicht, im Gegenteil,
der Revolver in ihrer Rechten gab ihr ein Gefühl der Sicherheit.
Sie
ging auf die dunkle Eingangstür zu. Sie dachte daran, dass nur eine gute Meile
von hier die neuerbaute Autobahn lag, auf der die Maschine, in der sie nach New
York hatte fliegen wollen, zur Landung gezwungen worden war. Der Mörder war
über den Acker in diese Richtung entkommen. Vielleicht hielt er sich hier
versteckt; dieses einsame Haus war geradezu ideal, um dort Unterschlupf zu
finden.
Sie
merkte, wie sie anfing zu schwitzen. Wenn der Täter wirklich hier zu finden
war, dann musste das auf irgendeine Weise auch in Zusammenhang mit Derry
Cromfield stehen. Der Täter maskierte sich hier, er benutzte die Kleidung der
Wachsfigur, seine Schuhe, um Verwirrung zu stiften – sie nickte mechanisch vor
sich hin, ohne das zu bemerken. Natürlich, so musste es sein. Ihre eigenen,
chronologischen Gedankengänge ermunterten sie.
Sie
musste eine Möglichkeit finden, in das Haus einzudringen. Wenn Mr. Flemming
nicht anwesend war, dann war das nur der Beweis dafür, dass er identisch mit
der Person sein musste, die vor wenigen Minuten mit dem Einmannhubschrauber in
der Dunkelheit verschwunden war. Sie würde also nur auf den greisen Kassierer
stoßen. Und vor ihm fürchtete sie sich nicht. Mit ihm wurde sie fertig, wenn es
sein musste.
Sie
war plötzlich besessen von dem Gedanken, auf eigene Faust etwas zu unternehmen.
Larry Brent würde Augen machen, wenn sie morgen früh berichten konnte, dass ...
Sie
stand vor der Tür und blickte aus erhöhter Warte auf die dunkle, stille,
einsame Straße zurück.
Sie
legte lauschend das Ohr an die Haustür. Jemand schnarchte. Es gab sicher eine
Möglichkeit, in das Haus einzudringen, vielleicht durch ein Kellerfenster.
Irgendwie würde sie es schon schaffen. Doch eine rein mechanische Bewegung, die
sie ausführte, um zu probieren, ob die Haustür verschlossen war, ließ sie
erkennen, dass es eigentlich gar nicht notwendig war, lange Umwege zu machen.
Tür war offen! Der alte Kassierer hatte vergessen, sie abzuschließen. Es
schien, als ob er vor Müdigkeit gerade in sein Bett gefallen sei.
Sie
schob vorsichtig die Tür auf. Fand es
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