Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
003 - Rom sehen und sterben

003 - Rom sehen und sterben

Titel: 003 - Rom sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
Vom Netzwerk:
Hand und sagte mit ruhiger samtener Stimme: »Komm!«
    Noone blieb stehen und widerstand dem sanften Zug. Ihr Blick klärte sich so langsam, als sehe sie in aufgewühltes Wasser, das allmählich zur Ruhe kam. Und dann endlich sah sie das Gesicht der Person, die vor ihr stand. Die so plötzlich aufgetaucht war, als sei sie wahrhaftig vom Himmel gefallen.
    Es war das schönste Gesicht, das Noone je gesehen hatte. Von solchem Ebenmaß, als hätten die Götter selbst es modelliert.
    Das Gesicht einer Frau, ein wenig älter als Noone selbst, aber immer noch jung. Ein Lächeln lag auf den vollen Lippen, und die Augen waren voller Wärme, so spürbar, dass Noone aufhörte zu zittern.
    Wer bist du? wollte sie fragen, aber die Fremde schüttelte sacht den Kopf, lächelte unentwegt weiter und berührte Noones Lippen mit weichen Fingern, streichelte sie.
    Noone schmeckte… etwas. Auf ihren Lippen war etwas, das sie noch nie gekostet hatte, aber es schmeckte augenblicklich nach mehr, und Noones Zunge huschte über die Lippen und nahm den wundersamen Geschmack auf.
    »Was?« begann sie, aber ihre eigene Stimme klang fremd in ihren Ohren und so, als komme sie von weither. Und was immer sie noch sagte, Noone verstand ihre eigenen Worte nicht.
    Sie waren unwichtig. Alles wurde bedeutungslos. Was um sie her geschah, verlor allen Schrecken. Und Noone selbst fühlte sich leicht, unendlich leicht.
    Als sie der schönen Fremden folgte, glaubte Noone zu schweben. Ihre Füße schienen den Boden nicht zu berühren. Und schließlich meinte sie gar zu fliegen.
    Sie wusste sogar, wohin sie flog, obwohl niemand es ihr gesagt hatte. Es war einfach in ihrem Kopf, in ihrem Denken, in dem plötzlich so unendlich viel mehr Platz war.
    Sie flog in ein neues Leben. In ein schönes Leben. In einen Traum von einem Leben!
    Und dann landeten sie. Im Palast der Träume.
    ***
    Larns Traum war vorüber, lange bevor es ihm bewusst wurde.
    Keuchend und breitbeinig stand er über seinem Gegner. Blut tropfte von den Klingen des Stockschwerts auf den tödlich Verletzten hinab, wurde eins mit dem, das aus den Wunden pulsierte, immer langsamer, weil das Herz des anderen kaum noch schlug. Dann blieb es ganz stehen.
    Und Larn hatte einen zeitlosen Moment lang das Gefühl, alles um ihn her, die ganze Welt käme zum Stillstand. Er hörte nichts von dem Lärm, der immer noch um ihn her wogte, und alle Bewegungen schienen eingefroren. Er sah nur die Toten, die er auf dem Gewissen hatte, ihr Blut, und er spürte ihre letzten Atemzüge, als hätten sie sich gesammelt, um ihn jetzt zu treffen wie ein eisiger Windhauch.
    Dann war dieser Moment vorbei und die Welt drehte sich weiter. Schneller als vorher, wie es Larn vorkam, denn was in den nächsten Minuten passierte, schien mit unnatürlicher Geschwindigkeit vonstatten zu gehen. So schnell, dass Larn sich kaum als Teil davon fühlte. Vielmehr war ihm, als beobachte er alles nur von erhöhter Warte aus und ohne, selbst etwas tun zu können.
    Der Stimmenlärm um Larn herum veränderte sich. Es waren nicht länger Kampfgeräusche und -schreie, die er hörte. An ihre Stelle klangen Jubelrufe und Wehklagen. Erstere von den Angehörigen und Freunden der überlebenden Kämpfer, letztere von den Hinterbliebenen der Toten, die dieser grausame Auswahlkampf gekostet hatte.
    Ein riesiger Karren tauchte aus einer der umliegenden Straßen auf, gezogen von zwei monströsen gehörnten Kreaturen und begleitet von einer wahren Horde kleinwüchsiger Wesen, die aufgeregt und schrill fiepten und riefen, hin und her wuselten in ihren langen Mänteln und die Leichen aufsammelten.
    Jeweils drei oder vier der zwergenhaften Geschöpfe packten einen Toten, schleiften ihn zu dem Gefährt und hievten ihn auf die Ladefläche. Binnen weniger Minuten waren der weite Platz »gereinigt« und der Karren wieder verschwunden.
    Die siegreichen Kämpfer formierten sich zu einem Zug. Die Echsenreiter halfen nach, indem sie die Männer mit Zurufen und Stößen ihrer Lanzen in Formation trieben. Über zwanzig waren es, schätzte Larn, vielleicht auch dreißig. Viele der Männer waren selbst verletzt, einige so schwer, dass Larn sich wunderte, wie sie sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnten.
    Dann setzte sich der Tross, wiederum auf Befehl der Reiter hin, in Bewegung. Der Jubel und die Hochrufe der Zuschauer brandeten wie eine Woge über die Männer herein, und wie von einer Welle fühlte sich Larn auch davongetragen. Es war, als müsse er nicht einen

Weitere Kostenlose Bücher