0035 - Die Vampirfalle
wolle.
Spähend schaute ich mich um. Meine Blicke tasteten das Dunkel ab, glitten hinüber zum Waldrand. Ich sah auch den umgekippten Bus, erfaßte die Grabsteine und glaubte, hinter einem der Denkmäler eine Bewegung gesehen zu haben. Hastig lief ich auf den Grabstein zu. Ich hatte mich nicht getäuscht.
Plötzlich tauchte hinter dem Grabstein eine große, dunkle Gestalt auf. Es war Kalurac. Warum er dort gelauert hatte und nicht geflüchtet war, konnte ich nur ahnen. Vielleicht wollte er abwarten, wie sich der Kampf entwickelte, oder er konnte nicht begreifen, daß er verloren hatte. Auf jeden Fall war er da. Und nur das zählte.
Ich sprintete auf den Grabstein zu. Der weiche Boden gab nur wenig Trittfestigkeit. Dreckklumpen spritzten nach hinten weg. »Bleib stehen!« brüllte ich, doch der Vampir dachte gar nicht daran.
Er drehte sich, lief hinter den Bus und war verschwunden. Zwei Sekunden geschah nichts. Ich blieb stehen. Dann aber hörte ich sein Lachen. Im nächsten Augenblick tauchte eine riesige Fledermaus hinter dem Bus auf und schwebte langsam in die Höhe. Bis zu mir hörte ich das Rauschen der gewaltigen Flügel. Ich hob die Waffe, ließ sie sinken und steckte sie weg. Nein, mit der Beretta allein konnte ich ihn nicht besiegen. Den Eichenpflock hatte ich in meinen Hosengürtel geschoben.
»Nimm den Hubschrauber!« schrie Bill. »Beeil dich, John. Mach schon. Sonst entkommt er dir!«
Mein Freund hatte recht. Nur wenn ich mir das Fluggerät umschnallte, bestand für mich noch die Chance, den Blutsauger zu fassen.
Das nächste greifbare Gerät lag nur ein paar Schritte von mir entfernt. Über die Funktion wußte ich Bescheid. Es bereitete mir auch keine Schwierigkeiten, es auf den Rücken zu schnallen.
Hart spannten sich die Riemen über meine Brust. Ich legte den Starthebel um.
Der Rotor faltete sich über mir auf, begann zu kreisen. Ich gab etwas Gas – und dann hob ich ab.
Stieg dem nachtdunklen Himmel entgegen, hatte wenige Atemzüge später schon die Baumwipfel erreicht und spürte den kalten Nachtwind schneidend im Gesicht. Die letzte Runde hatte begonnen!
***
Noch nie in meinem Leben war ich mit einem Ein-Mann-Hubschrauber geflogen.
Ich mußte mich erst mit der Bedienung vertraut machen, doch nach wenigen Sekunden schon beherrschte ich das Gerät. Die Steuerung war denkbar einfach.
Jetzt erst konnte ich mich voll auf die Suche nach meinem Gegner konzentrieren.
Der Vorteil war das Mondlicht. Hinzu kam der steife Nachtwind, der den Himmel von Wolkenbergen blankgefegt hatte. Auch der Nebel war verflogen. Ich hatte klare Sicht.
Etwa zehn Yards über den Baumwipfeln kreiste ich in der Luft. Ich war für solch einen Flug nicht angezogen. Der Wind fuhr durch meine Jacke, biß auf der Haut und ließ den Stoff knattern. Lange konnte ich es sicherlich nicht aushalten. Irgendwann wurden meine Gelenke steif und bewegungsunfähig. Suchend glitten meine Blicke über den Himmel. Weit riß ich die Augen auf, doch dann schloß ich die Lider wieder halb, denn der beißende Wind trieb mir die Tränen hinein. Ich zog die Kreise weiter. Mit Schrecken dachte ich daran, daß der Vampir nur abzuwarten brauchte, bis der Treibstoff verbraucht war. Dann mußte ich runter. Verdammt!
Über die Leichenhalle flog ich hinweg. In der Ferne sah ich ein paar vereinzelte Lichtpunkte blitzen. Dort lag ein Dorf. Die Lichter kamen mir vor wie der Gruß aus einer anderen Welt. Auf einmal sah ich die Fledermaus. Es geschah rein gefühlsmäßig, daß ich den Kopf etwas nach links drehte. Der Vampir hatte sich bisher irgendwo hinter dem Wald versteckt gehalten.
Nun rauschte er hervor.
Ich erhöhte die Geschwindigkeit. Von der Seite her flog ich auf ihn zu. Kalurac mußte das Flappen des Rotors vernommen haben, denn schon wandte er den Kopf. Ich verringerte die Geschwindigkeit ein wenig, weil auch Kalurac nicht mehr weiterflog, sondern in der Luft stehenblieb. Stellte er sich zum Kampf? Es sah ganz so aus.
Der Vampir bot ein schaurig schönes Bild. Voll stand das Mondlicht hinter ihm und zeichnete jede Kontur nach. Ich sah die weiten Flügel mit der lederartigen Haut. Der Kopf war normal geblieben. Er hatte sich nicht verändert, sondern zeigte nach wie vor die menschliche Form. Wie der untere Teil des Körpers hatten auch die klauenartigen Hände die Metamorphose nicht mitgemacht. Sekundenlang fixierten wir uns.
»Nun kann dir keiner mehr helfen!« rief ich den Vampir an, und der Wind riß mir die Worte von den Lippen.
Weitere Kostenlose Bücher