0035 - Die Vampirfalle
Gleichzeitig hob ich die linke Hand hoch und präsentierte ihm mein Kreuz. Er zuckte zusammen.
Ich hatte Zeit und riß den Eichenpflock aus dem Gürtel. Beides zusammen vereinigte sich zu einer tödlichen Waffe. »Stirb Kalurac, Nachkomme des Dracula!« Ich brüllte die Worte hinaus, und dann fiel mir ein, was Marek mir anvertraut hatte.
Ich rief die Namen der Schutzgeister. »Michael! Gabriel! Raphael! Uriel!«
Meine Stimme überschlug sich fast. Jedes Wort mußte wie ein Donnerschlag an Kaluracs Ohren dringen. Da geschah es.
Aus den vier Enden des Kreuzes, genau dort, wo sich die Zeichen der Erzengel befanden, schossen gleißende Strahlen, rasten auf den Vampir zu und nagelten ihn fest. Zwei Strahlen trafen die Füße, die beiden anderen die Hände. Kalurac schrie.
Gebannt starrte ich ihn an. Er stand wie gekreuzigt mitten in der Luft. Die magische Falle hielt ihn fest. Fest für mich…
Ich spürte, wie sich das Kreuz in meiner Hand erwärmte, fühlte gleichzeitig die Kraft, die in meinen Körper drang, und hörte eine Stimme im Gehirn, die aus einer unendlichen Ferne zu kommen schien: »Nimm den Pflock, John Sinclair. Denn du bist der Sohn des Lichts. Nimm ihn…!«
Ich tat es.
Langsam flog ich auf den Vampir zu. Wild rollte er mit den Augen. Hell sah ich das Weiße darin schimmern. Das blutleere, bleiche Gesicht zuckte. Der Vampir spürte, daß es mit ihm zu Ende ging. Diesmal hatte er keine Chance. Der Nachtwind würde dafür sorgen, daß die Asche auseinanderfiel.
Er flehte nicht, er wimmerte nicht. Er kannte sein Schicksal, das so unabänderlich war wie das Ende der Welt.
Ich holte aus.
Dann schloß ich die Augen – und stieß zu.
Der uralte, historische Eichenpflock tat das, wofür er bestimmt war. Er durchbohrte das Herz des Vampirs.
Draculas Nachkomme starb endgültig!
Ich riß den Pflock aus seiner Brust, drehte ab und wendete dann wieder. So konnte ich Kaluracs Ende beobachten.
Die vier Strahlen wurden blasser. Gleichzeitig kühlte sich das Kreuz in meiner Hand ab.
Und Kalurac verging. Seine Haut welkte, wurde gelblichbraun, zerbröselte zu Lehm, und als die Strahlen endgültig erloschen waren, da gab es auch keinen Kalurac mehr.
Ein Windstoß fächerte um mein Gesicht, erfaßte eine Staubwolke, zerteilte sie und trieb sie fort.
Die Welt hatte vor Kalurac Ruhe.
Langsam glitt ich dem Erdboden entgegen…
***
Sie hatten auf mich gewartet. Bill, Sheila, Suko, Jane – und Marek. In ihren Blicken las ich nur eine Frage, die ich beantwortete, ohne daß sie akustisch gestellt worden war. »Kalurac lebt nicht mehr!«
»Wir haben es gesehen«, sagte Suko, »aber wir wollten es von dir hören.«
Ich schnallte das Gerät ab.
Irgendwie war ein Gefühl in mir, das ich nicht beschreiben konnte. Hoffnung, Glück, Zufriedenheit? Ich konnte es nicht sagen. Jedenfalls Dankbarkeit. Dankbarkeit gegenüber den Freunden, die mir in der Not beigestanden hatten. Wir machten nicht viele Worte, sondern gaben uns nur die Hand. Jeder Druck war ein Versprechen, uns niemals gegenseitig im Stich zu lassen. Eine ungeheure Gefahr war beseitigt. Nicht zuletzt dank der Hilfe von Menschen, die sich aufeinander verlassen konnten.
Von Kaluracs Dienern lebte niemand mehr. Nur die Leichenhalle stand noch da, als wäre nichts gewesen. Und vier junge Leute schauten uns aus großen Augen an. Sie konnten wahrscheinlich ihre Rettung noch gar nicht richtig fassen. Plötzlich fing der kleine Johnny an zu schreien. Da wußte ich endgültig, daß mich das Leben wieder hatte…
ENDE des Dreiteilers
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