Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0035 - Draculas Erbe

0035 - Draculas Erbe

Titel: 0035 - Draculas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Saupe
Vom Netzwerk:
wusste es nur zu gut.
    Sie spürte ihre brennenden Füße nicht mehr. Sie spürte nicht, wie das Blut aus ihren Händen sickerte.
    Sie sah nur das kleine, tote Viereck aus Mauertrümmern und umgestürzten Brettern. Je näher sie kam, umso deutlicher sah sie es. Sah es in jeder Einzelheit.
    Der Kuhstall. Zertrümmert.
    Das Vieh, weggeschwemmt und ertrunken.
    Nur die Grundfesten der Mauern hatten dem Wasser standgehalten.
    Und noch näher ging Jara an den Ort des Unglücks heran.
    Bis sie vor dem Keller stand.
    Ein gähnendes Loch, angefüllt mit schmutzigem Wasser. Der See hatte jede Krume von Erde mit sich gerissen und aus den Hütten und Ställen Schlammlöcher gemacht.
    Jara konnte nicht mehr schreien. Nur das irre, lang gezogene Wimmern blieb.
    Ihre Tränen konnte Jara nicht zurückhalten. Und nicht abtrocknen.
    Es war ein Strom von Tränen, unaufhaltsam und bitter. Wie der Strom, den der Lassa-See gezogen hatte, als der Unheimliche ihn ins Freie stürzen ließ.
    Jara sah die Gestalten vor sich durch einen Schleier von Tränen.
    Bewegungslose Gestalten.
    Der Vater hing über einem Kellerbalken. Mit dem Gesicht nach oben.
    Jara sah, dass seine Augen gebrochen waren.
    Die Augen der Mutter waren geschlossen. Aber Jara wusste, dass auch sie nicht schlief.
    Und die beiden zusammengekrümmten Gestalten in den Ecken des Kellers, das waren heute Morgen noch Jaras springlebendige Brüder gewesen.
    Laut schrie das Mädchen noch einmal auf. Dann stürzte es hin und blieb bewusstlos liegen.
    Die Sonne war längst hinter den Kelemenbergen verschwunden.
    Langsam senkte sich die Abenddämmerung über den Ort des Entsetzens.
    Dann fühlte sich Jara am Ärmel gezupft. Sie wusste nicht, wie spät es war. Aus tränenüberströmten Augen sah sie auf den Mann, der vor ihr stand.
    Es war ein Weinbauer aus der Gegend. Verschwommen sah Jara, dass er seinen Weinkarren an der Straße abgestellt hatte. Er wollte wohl am Abend noch in die Stadt hinein, um morgen früh pünktlich auf dem Markt zu sein.
    »He, Mädel«, sagte der Weinbauer. »Bist du nicht die Jara, die Tochter vom alten Yäntak?«
    Jara nickte und schluchzte weiter.
    »Hat es ein Unglück gegeben?«, fragte der Bauer weiter.
    Jara nickte.
    »Nun sag schon, was gewesen ist. Wo ist dein Vater?«
    »Dort hinten im Keller«, sagte Jara. »Ertrunken und tot.«
    »Und die Mutter, wo ist sie?«
    »Ertrunken und tot«, sagte Jara leise und begann stärker zu weinen.
    »Alle weg und tot?«, fragte der Bauer fassungslos.
    Und Jara nickte wieder.
    »Und wie ist das gekommen, he? Was ist geschehen?«
    Jara zeigte den Hang hinauf. Da sah der Weinbauer erst das ganze Maß der Vernichtung.
    »Wasser?«
    »Ja«, sagte Jara dumpf. »Der Lassa-See.«
    »Was?«, schrie der Mann. »Der See, dort drüben ist der See. Ganz auf der anderen Seite.«
    »Er ist durch den Berg gekommen«, sagte Jara.
    »Nie«, meinte der Bauer und brummte. »Nie kann er das, der See, durch den Berg kommen.«
    »Der Teufel hat ihn durchgelassen«, sagte Jara.
    »Ach was!«, fauchte der Bauer. »Bist durcheinander, Mädel. Gibt keinen Teufel, nicht hier, nicht woanders.«
    »Ich hab ihn gesehen«, sagte Jara leise. »Weiß sah er aus, weiß wie Kreide. Er hat mich durch den Berg gejagt.«
    Der Bauer starrte das Mädchen entgeistert an. »Hast ihn gesehen? Im Berg? Spinnst, Mädel? Oder sagst du die Wahrheit?«
    Jara machte einen letzten Versuch, um den Bauern zu überzeugen.
    Sie hielt ihm die Arme und Hände vors Gesicht. Sie zeigte auf ihre Füße. »Sieht man so aus, wenn man im See schwimmt, Bauer? Oder wenn man spazieren geht auf dem Weinberg?«
    »Blitz und Donner!«, rief der Bauer aus. »Ich glaub dir, Mädel. Auch, wenn es nicht zu fassen ist. Steig auf den Wagen, Mädel. Das muss der Mihail sofort wissen. Wir fahren zum Kommissar.«
    ***
    Der Bauer half Jara beim Aufsteigen auf den Kutschbock. Als er selbst hinaufklettern wollte, um neben dem Mädchen Platz zu nehmen, drehte er sich wie unter einem Zwang noch einmal um.
    Sein Blick fiel auf die überschwemmten Trümmer des kleinen Hauses.
    Auf einem großen Holzbrett fiel dem Bauer etwas Außergewöhnliches auf. Es waren zwei Zeichen. Man kannte sie nicht in dieser Gegend. Viele der Bauern malten die Anfangsbuchstaben ihrer Namen auf die Haustüren.
    Aber der Bauer sah auch aus dieser Entfernung, dass die Buchstaben nicht mit denen von Jaras Vater übereinstimmten.
    Jara achtete nicht darauf, dass der Bauer noch einmal zurückging.
    Das Mädchen war wie

Weitere Kostenlose Bücher