0035 - Draculas Erbe
andere.
»Ich werde die Ursachen herausfinden müssen.«
»Und wie wäre das zu erreichen?«
»Ich muss die letzten Tage der Türken in diesem Land nacherleben«, sagte Zamorra.
»Wie bitte?«, fragte der Beamte völlig verständnislos.
»Ich werde sozusagen im Fahrstuhl der Zeit ins siebzehnte Jahrhundert zurückfahren«, sagte Zamorra. Er sagte es so einfach und bestimmt, als handelte es sich um die Feststellung, dass jemand auf dem Rückweg noch ein Päckchen Zigaretten aus dem Automaten ziehen sollte.
Die Beamten waren vollkommen perplex.
»Ins siebzehnte Jahrhundert?«, fragte dann einer von ihnen. »Aber das ist ja auch eine Art von Hexerei!«
»Keineswegs«, sagte Zamorra. »Es ist ganz einfach eine Sache äu- ßerster Konzentration. Und ich habe einen geheimnisvollen Helfer dabei.«
»Ihr Amulett, nicht wahr?«, fragte der Beamte.
»Richtig«, gab Zamorra zur Antwort. »Sie haben darüber gelesen, Kommissar?«
»Ja, Herr Professor. Aber begreifen kann ich es trotzdem nicht.«
»Das ist auch nicht nötig«, gab Zamorra lächelnd zurück. »Die Hauptsache ist doch, dass jemand diese Kunst der Konzentration beherrscht. Und wenn der große, starke Zauber eines geheimnisvollen Amuletts dabei hilft, kann man die Vorgeschichte eines Falles nicht nur gedanklich verfolgen, sondern auch körperlich.«
»Unglaublich«, sagte der Beamte.
»Aber nicht unmöglich«, meinte Zamorra. Dann nahm er Nicoles Arm und nickte ihr zu.
»Erklären Sie es den beiden Herren«, forderte er sie auf.
Nicole, dankbar dafür, dass sie zu Wort kommen durfte, nahm die Gelegenheit gern wahr.
»Ich glaube, dass der Professor Folgendes meint. Stellen Sie sich vor, dass sich jemand die Aufgabe stellt, ein Buch über das Leben der Pharaonen zu schreiben. Oder über einen alten Perserkönig. Was wird er tun? Er beschafft sich alles verfügbare Material. Er studiert die Geschichtsschreiber, er liest Bücher und Berichte. Er macht sich ein Bild, indem er alle Karten der damaligen Zeit studiert. Er lernt vielleicht sogar die fremde Sprache, einen fremden Dialekt, wie er damals gesprochen wurde. Aber das alles reicht noch nicht aus, um sein Buch spannend und realistisch zu machen.«
»Und was braucht er dazu noch?«, fragte einer der Beamten.
»Ihm fehlt das, was der Professor vorhin die Konzentration nannte. Man könnte es auch Einfühlungsvermögen nennen. Er muss sich da vollkommen in die alte Zeit zurückversetzen, dass er ein Teil von ihr wird. Dann plötzlich lebt er in dieser Zeit. Und mit der zusätzlichen Hilfe seines überirdischen Könnens gelingt es ihm, Zusammenhänge aus der alten Zeit bis in die Gegenwart zu verfolgen. Ist das richtig so, Professor?«
»Vollkommen«, meinte Zamorra und kniff Nicole in den Arm. Gerade so sehr, gerade so wenig, dass es sich anerkennend und liebevoll anfühlte.
Nicole fühlte es, wie es gemeint war.
Sie schenkte ihrem Chef ein so strahlendes Lächeln, dass dieser für Sekunden seine neue große Mission vergaß.
Aber immer, zum Bedauern Nicole Duvals, dauerte dies eben nur kurze Sekunden. Der Alltag hatte Zamorra wieder.
Der Alltag tauchte vor ihnen auf. In Gestalt einer hübschen kleinen Stadt.
»Bistritz«, sagte der Fahrer.
Nach knapp vierstündiger Fahrt war also die Stadt erreicht, von der aus Zamorra das unheimliche Treiben eines teuflischen Dämons aufklären sollte.
Sie begaben sich direkt zum Dienstgebäude des Kommissars.
Mihail Petescu erwartete sie mit Spannung.
***
Das Mädchen Jara Yäntak ging mit äußerster Vorsicht durch den Stollen. Meter um Meter setzte es seinen Weg fort.
Die Luft um sie wurde immer kühler. Und die Dunkelheit umgab sie wie ein unheimliches dunkles Tuch.
Jara nahm die Hände zu Hilfe. Sie tastete sich an den Wänden des felsigen Tunnels voran.
Dann, nach einer halben Stunde etwa, sah sie wieder einen matten Lichtschein vor sich. Sie ahnte das Licht mehr, als sie es wahrnehmen konnte. Trotzdem war Jara sicher, dass es sich diesmal um den Ausgang des Felsenschachtes handelte.
Erleichtert ging das junge Türkenmädchen weiter.
Jetzt konnte sie schon ein wenig schneller gehen.
Das Bewusstsein, das Ende des Schachtes bald erreicht zu haben, trieb sie schneller voran.
Bis sie plötzlich neben sich eine Stimme hörte.
Eine dröhnende Stimme. Hart wie das Grollen eines Donners.
Der Widerhall dieser Stimme in dem engen steinernen Stollen machte den Klang dieser Stimme noch unheimlicher.
Und was diese fremde Donnerstimme rief, ließ Jaras
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