0036 - Die Nacht des Feuergottes
Es handelte sich um das Modell Pioneer.
Suko kletterte mit mir in das Kunststoffboot. Er brachte den Außenbordmotor in Gang, und ich übernahm das Steuer.
Nach einer Fahrt von etwa zehn Minuten begegneten wir einem Ausflugsboot. Eine Gruppe junger Mädchen winkte uns zu. Die Girls riefen auch etwas, das wir aber wegen des Motorenlärms nicht verstehen konnten. Dann lachten sie.
»He, Suko«, hänselte ich meinen Freund. »Denen scheinst du’s angetan zu haben.«
Der koloßhafte Chinese strich sich eitel über das schüttere schwarze Haar und erwiderte feixend: »Nun, zu einigen von ihnen würde ich ganz bestimmt nicht nein sagen.«
Das Ausflugsboot kam von Leon Viejo zurück. Das ist eine Ruinenstätte, die am Fuß des Vulkans Momotombo liegt. Die Stadt wurde 1524 gegründet und 1609 durch ein Erdbeben völlig zerstört.
Das Ausflugsboot verschwand weit hinter uns.
Es hatte uns gutgetan, diesen Mädchen zu begegnen, die so unbeschwert lachen konnten. Allein schon um ihretwillen müßten wir versuchen, dieses Land vom Einfluß des Bösen zu befreien.
Nicaragua durfte nicht das erste Land auf dieser Welt werden, das von einem Dämon regiert wurde.
Suko knetete seine Finger. Seine Augen waren starr auf den Vulkan gerichtet, den ich ansteuerte. Es war nicht mehr weit bis zum Momotombito. Und es war noch nichts passiert.
Mit jedem Yard, den wir zurücklegten, wuchs unsere Spannung. Wir sahen uns ständig aufmerksam um, denn wir wollten keine unliebsame Überraschung erleben. In der Ferne – nordwestlich – sahen wir ein Fischerboot.
Der Lago de Managua war glatt wie Glas. Kein Lufthauch kräuselte seine Oberfläche. Wie ein drohendes Mahnmal ragte der Momotombito aus dem See. Die Sonne stand grell am wolkenlosen Himmel.
Es war beinahe unvorstellbar, daß man sich an solch einem Tag in dieser herrlichen Gegend Sorgen machen mußte.
Suko und ich mißtrauten diesem Frieden. Er war zu perfekt. Der Feuergott wollte uns anscheinend in Sicherheit wiegen, um dann um so überraschender zuzuschlagen.
Daß er etwas gegen uns unternehmen würde, stand für mich fest. Ich wußte nur nicht, was für eine Gemeinheit der Dämon sich für uns ausgedacht hatte. Meine innere Unruhe wuchs.
Äußerlich wirkte ich so gelassen wie Suko.
Mir fiel ein, daß wir unser Boot nicht gegen die Kräfte des Bösen gesichert hatten. Unwillkürlich krampfte sich mein Herz zusammen. Diese Unvorsichtigkeit konnte ins Auge gehen.
Das Boot, mit dem Jewesbury und McNally unterwegs gewesen waren, war zertrümmert worden.
Ich wollte das Versäumte schnellstens nachholen und unsere Nußschale gegen Angriffe des Dämons abschirmen.
»Suko«, sagte ich.
»Ja, John?« Der Hüne wandte sich um.
»Übernimm mal«, bat ich. Ich wies auf das Steuer. Suko trat an meine Stelle. Ich begab mich zu meinem Spezialkoffer.
Als ich mich danach bückte, rief Suko aufgeregt: »John!«
Mit einem jähen Ruck richtete ich mich wieder auf. Sukos ausgestreckter Arm wies nach Osten.
Man hätte es für ein eigenartiges Naturschauspiel halten können, aber das war es nicht.
Mein Partner und ich wußten sofort: das war eine Attacke des Bösen! Aus dem See schoß eine dünne Feuerlohe empor. Achtzig, vielleicht sogar hundert Yard hoch. Schnurgerade. Grellrot glühend. Sie raste auf unser Motorboot zu. Suko versuchte ein Ausweichmanöver, doch die dünne Flamme schnitt mit einer solch enormen Geschwindigkeit durch die Fluten, daß man ihr einfach nicht ausweichen konnte.
Ein schrilles Pfeifen erfüllte die Luft. Der Ton schmerzte in unseren Ohren. Innerhalb eines Sekundenbruchteils hatte der grelle Strahl unser Boot erreicht.
Wir hörten ein Knirschen und Krachen. Durch das Boot ging ein gewaltiger Ruck, der mir brutal das Gleichgewicht raubte. Meine Hände schossen Halt suchend durch die Luft.
Ich fiel und schlug mit dem Kopf gegen die wulstige Kante des Boots. Trübe Schleier schienen an meinen Augen vorbeizuwischen. Ich war für einen Augenblick benommen.
Die Lohe trennte wie ein Laserstrahl unseren Außenbordmotor ab, fetzte ihn fort, wirbelte ihn hoch und schleuderte ihn in hohem Bogen in den See. Doch bevor der Motor in die Fluten eintauchte, vernahm ich ein lautes Klatschen ganz in der Nähe.
Das schrille Pfeifen verstummte so schnell, wie es gekommen war. Da unser Boot keinen Motor mehr besaß, gab es auch keinen Motorenlärm mehr. Antriebslos schaukelte der Kunststoffkahn auf dem See.
Ich richtete mich schwankend auf. Das, was geschehen war, konnte
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