0039 - Ich jagte den Mörder meines Freundes
könnte.
Nein, was wir nicht alles zu hören bekamen! Flüche wegen der unterbrochenen Nachtruhe, keifende Damen, die ich mir lebhaft in Lockenwicklern und Nachtgewändern vorstellte, erboste Familienväter, Neugierige, Verschlafene, Witzige, Wütende, Hustende.
Wir tranken nur noch Kognak-Soda. Den schwarzen Kellner hatte ich beauftragt, uns unaufgefordert alle Viertelstunde zu bedienen.
Um ein Uhr waren wir mit Manhattan fertig. Dann kam Jersey City an die Reihe. Bayonne, Greenville, Marion, Hudson, Wehawken und so fort. Immer die Rufnummer 4-9503. Auch nichts.
Phil war drauf und dran, schlappzumachen — übrigens ich auch. Keiner wollte dem anderen die Blöße geben. So gingen wir zu Brooklyn über.
Es war auch hier vergebens — ich meine in diesem Falle nur den Stadtteil Brooklyn. Dann stießen wir mit unseren Zeigefingern auf einen Punkt und schauten uns entgeistert an.
Unsere Finger zeigten auf New Lots 4-9503, Sheppard, Henry, Kunstmaler, 122, Liberty Avenue.
Alles umsonst. Nur das eine war ein winziges Plus: Toby hatte um den peyotlsüchtigen Maler gewußt. Da Toby auch der Bande auf die Spur gekommen war, die das mexikanische Giftzeug unter die Leute brachte, bestand kaum ein Zweifel, woher der Maler sein Peyotl bekommen hatte.
»Fällt dir nicht auf, Jerry«, fragte Phil, »daß Sheila nicht reden will und der Maler auch nicht?«
»Sheila will nicht mehr an die schlimmste Zeit ihres Lebens erinnert werden. Das ist doch klar.«
»Und der Maler?«
»Bei ihm ist es vielleicht ähnlich.«
»Blödsinn«, sagte Phil. »Ich werde es dir sagen. Beide haben Angst, richtige, hundsgemeine Angst.«
»Phil«, erwiderte ich, nachdem ich den Kellner gerufen und gezahlt hatte, »an Schlaf ist vorläufig nicht zu denken. Wir fahren zu unserem Freund Sam. Der hat einen Untermieter, den kleinen Bud Jinks. Bud weiß mehr als sämtliche V-Männer von Manhattan und Umgebung zusammen. Der Junge ist mein Freund. Ich wette, daß er uns einen Tip geben kann. Es ist erst kurz nach zwei Uhr. Für unsere Unterweltratten die Zeit der Geschäfte.«
»Okay«, knurrte Phil.
***
In der 43. West zwischen Morningside und Harlem lag die Royalty Bar. Ganz früher, zur Zeit des Alkoholverbots, war es eine Schmugglerkneipe gewesen, aber im Laufe der Jahre eine Negerbar geworden. Für Fremde bei Nacht ein ungesunder Aufenthalt. Der Pächter des Unternehmens hieß Sam. Wir hatten uns gegenseitig schon, kleine Gefälligkeiten erwiesen. So war ich ihm vor etlichen Jahren bei einer Erpressung zu Hilfe gekommen, was mir Sam nicht vergaß. In meinem Beruf braucht man solche Freunde.
Sam galt unser nächtlicher Besuch weniger als dem kleinen Bud Jinks, der in der Bar so etwas wie Laufjunge war. Ungemein fix, altklug, intelligent, wurde er oft von Gaunern zu zweifelhaften Botengängen benutzt und anderen Sachen, die nicht sauber waren. Bud genoß den Ruf absoluter Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit.
Ich kann wohl sagen, daß ich der einzige meiner Zunft war, dem Bud sein sonst so mißtrauisches Herz öffnete. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht deshalb, weil ich seinem Hobby Verständnis entgegenbrachte. In dem Verschlag, der ihm als Behausung diente, piepste, zwitscherte und trillerte es. Bud war ein Vogelnarr.
Aber Bud war mehr, viel mehr. Ein Kenner der Unterwelt, eine wandelnde Chronik aller Gangs, Rackets und Einzelgänger. Sein Gedächtnis war phänomenal, seine Menschenkenntnis verblüffend, sein Wissen war staunenerregend. Wenn man etwas von ihm erfahren wollte,' mußte man es äußerst vorsichtig anfangen, sonst brachte man aus ihm keine Silbe heraus. Und legte man auch zehn Dollar auf den Tisch.
Wie meistens in solchen Fällen, gingen wir nicht zusammen hinein. Phil drückte sich in eine Ecke und hielt die schmale Front der Kneipe im Auge. Den Wagen hatte ich in einer Parallelstraße stehenlassen.
Von der Blütezeit war in der Royalty Bar nichts mehr zu bemerken. Die teure Tapete hing in Fetzen herunter oder war mit Fotos aus Magazinen beklebt. Das Mobilar sah nicht besser aus. Nur die Theke erinnerte an den alten Glanz.
Finstere Typen lümmelten sich vor der Theke herum oder beschäftigten sich mit den Spielautomaten an der Wand. Hinter der Theke stand Sam. Ein kurzärmeliges Hemd ließ seine mahagonifarbenen Arme sehen.
Als er mich erkannte, strahlte sein Gesicht. »Hallo, Mistah Cotton!« posaunte seine heisere Stimme. »Wie geht es Ihnen?« Mit der englischen Sprache stand er ständig auf Kriegsfuß.
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