0039 - Ich jagte den Mörder meines Freundes
diesem Augenblick noch verrückter vor als ehedem.
Und dann betrat ich leise das Sprechzimmer. Der Lichtkegel irrte über ein Chaos. Auch nichts stand mehr am richtigen Platz. Die Glasvitrine lag zersplittert am Boden, die Instrumente verstreut daneben. Ein Bücherschrank war zur Seite geschoben worden, der Inhalt lag ebenfalls auf der Erde. Und dort, wo er mit der Rückseite die Wand berührt hatte, gähnte ein Loch in der Mauer. Es war einer jener eingelassenen Tresore, wie sie sich ängstliche Zeitgenossen gern anlegen lassen, denen Banken als Aufbewahrungsort von Schmuck, wichtigen Papieren und so weiter nicht sicher genug sind.
Und neben dem Schreibtisch lag der Heilpraktiker Stephen Ellington. Er lebte nicht mehr.
Ellington trug einen Abendanzug, als sei er im Begriff gewesen, eine Gesellschaft zu besuchen. Sein weißes Hemd hatte in Brusthöhe einen großen Blutflecken, der offensichtlich von einer Schußwunde herrührte.
Ich rief Phil.
»Tot«, sagte er nach kurzer Untersuchung. »Diesmal kein Dumdum.«
»Narr«, sagte ich. »Meinst du, jeder Einbrecher würde heutzutage mit Dumdumgeschossen schießen? Die Sache ist doch klar: Man wollte stehlen, wurde überrascht und schoß los. Und das ausgerechnet bei Tobys Mörder, den ich selbst auf den elektrischen Stuhl bringen wollte. Ich möchte heulen…«
»Du brauchst nicht zu heulen«, sagte Phil ruhig. »Der Raubmord ist fingiert.«
Ich starrte ihn an wie einen Marsmenschen. »Wie kommst du darauf?«
»Ich habe den Boden bei der Leiter draußen unter die - Lupe genommen. Kein Abdruck von Männerschuhen außer den unsrigen. Die kenne ich ja.«
»Sondern?!«
»Eine Frau hat die Leiter aus einem neben der Garage befindlichen Schuppen zur Hauswand geschleppt. Infolge der Last drückten sich die Absätze noch mehr in den Boden als sonst. 'Es hat lange nicht geregnet, und es ist ziemlich staubig.«
»Noch mehr?« fragte ich, nur, um etwas zu sagen. In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander.
»Ja. Noch etwas. Die Traillen haben eine Dicke von fünfzehn Millimetern, also kann sie eine Frau mit einem guten Bolzenschneider durchzwicken. Und der Bolzenschneider ist neu. Außerdem habe ich an den Ansatzstellen festgestellt, daß die Person nicht von außen, sondern von innen das Werk vollbrachte. Im übrigen erinnere ich dich an meine Theorie.«
Ich mußte zugeben, daß Phils Theorie, Theresa Salcedo sei die Mörderin und nicht Jasper Hillingcote, richtig war. Theresa Salcedo alias Doris Winter, und nicht Stephen Ellington alias Jasper Hillingcote.
Ihr Alibi war mir schon bei meinem Verhör nicht sauber vorgekommen. Hätte ich Hornochse doch gleich dahintergehakt. Dann lebte vermutlich Ellington noch. Dann lebten vermutlich auch noch der Mexikaner Paredes und der verkrachte Student Hal Ginnis.
Das Telefon war vom Schreibtisch gefallen. Ich hob es auf und stellte es wieder an seinen Platz. Auch das Telefonbuch lag am Boden. Als ich es in die Hand nahm, bemerkte ich einen Kugelschreiber zwischen den Seiten. Daß er nicht herausgerollt war, wunderte mich. Jemand hatte ihn mit dem Halter an einer Seite befestigt. Die beiden Blätter sah ich mir näher an. Auf einer war eine Nummer unterstrichen: Carlton Hill 8-7279, Betty Widdison. Zum Teufel, das war doch die reiche Witwe aus Woodside, die ebenfalls in der Mordnacht, bei Toby gewesen war!
Ich fragte Phil, was er davon halte.
»Sie wird da draußen auch ein Haus haben«, meinte er lakonisch. »Aber der Kugelschreiber zwischen den Seiten und die Kenntlichmachung der Telefonnummer kommt mir seltsam vor. Bringen wir dein Abendanzug des Ermordeten damit in Beziehung, so könnte ich mir vorstellen, daß die Dame mal zur Abwechslung in ihrer Zimmerflucht eine Party gibt. Ellington alias Hillingcote kam nicht mehr dazu. Seine Süße, sein Liebling oder Feuersalamander, wie er seine offizielle Hausdame und inoffizielle Braut zu bezeichnen pflegte, erschoß ihn vorher. Sie tat ihr Bestes, den Mord einem Einbrecher in die Schuhe zu schieben, verwandelte das Zimmer hier in eine Wüstenei und rauschte alleine ab nach Carlton Hill. Siehe fehlender Wagen.«
»Werden wir gleich haben«, rief ich und griff nach dem Hörer.
»Nicht doch, Jerry. Sie erkennt deine Stimme. Laß mich mit ihr sprechen — wenn sie überhaupt da ist.«
Ich reichte ihm den Hörer, und er wählte die Nummer. Ich preßte mein Ohr ebenfalls ah die Muschel.
Lachen, Jazzmusik. Eine Männerstimme, schon ziemlich lallend: »Hallo, wer ist da? Hier
Weitere Kostenlose Bücher