005 - Gekauftes Glück
nachdem du durch den Sturz vom Pferd das Erinnerungsvermögen zurückgewonnen hattest. Schließlich hat es dann noch eine beträchtliche Weile gedauert, ehe du nach England zurückgekommen bist."
„Ich weiß." Patrick nickte. „Ich habe eine Weile gebraucht, um die Angelegenheiten auf meinem Besitz in Virginia zu ordnen. Du entsinnst dich, daß die Amerikaner und die Briten sich in der letzten Zeit nicht sehr wohlgesonnen waren. Ende 1812 war für mich eine äußerst unglückliche Zeit, um das Erinnerungsvermögen zurückzuerlangen und festzustellen, daß mich starke Bande mit beiden Seiten verbanden."
„Zugegeben. Es muß sogar noch beunruhigender gewesen sein, nach deiner Ankunft hier festzustellen, daß du ein Pflanzer aus Virginia bist, der ebenfalls ein englischer Baronet ist." Ein Hauch von Mitgefühl schlich sich in Bretts Stimme. „Das schlimmste muß für dich jedoch gewesen sein, wie du vom Ende deiner Familie erfahren hast."
„Inzwischen hatte ich die Zeit, mich damit abzufinden. Ich habe um meine Eltern getrauert."
„Aber nicht um deine junge Schwester", sagte Brett betont.
„Nein, nicht um meine Schwester." Patricks saphirblaue Augen verdunkelten sich, einen Moment lang hatte Brett das Gefühl von etwas schwach Vertrautem, doch es verging sogleich, und er schenkte dem Freund wieder seine volle Aufmerksamkeit.
„Verdammt, Mann", fuhr Patrick fort, „warum hätte ich um meine Schwester trauern sollen? Die einzige Information, die ich von den in der Gegend verbliebenen Leuten, die mir etwas berichten konnten, erhielt, war die Mitteilung, daß in den Ruinen des abgebrannten Hauses keine Kinderleiche gefunden worden war. Die Leichen meiner Eltern sind gefunden worden, und auch die von einigen unserer Dienstboten. Ich habe ihre Gräber gesehen, denn sie sind gut gekennzeichnet. Doch von der Kleinen gibt es keine Spur. Deshalb muß ich die Suche nach ihr fortsetzen.
Ich muß! Solange ich nicht vollste Gewißheit habe, so oder so, kann ich die Hoffnung nicht aufgeben. Kannst du das verstehen, Brett?"
Brett wandte den Blick ab, weil er nicht wollte, daß der Freund seine Gedanken erriet. Auch er hatte in den letzten Jahren Angehörige begraben müssen, den geliebten Großvater erst in der vergangenen Woche. Aber er war nicht sicher, ob er Verständnis für Patricks Besessenheit aufbrachte, unbedingt herauszufinden, was aus dessen Schwester geworden war. Er neigte zu der Annahme, sie sei tot. Falls sie wirklich noch am Leben sein sollte, wo war sie dann? Warum meldete sie sich nicht, um den ihr rechtmäßig zustehenden Platz in der Gesellschaft einzunehmen? Falls Brett dem Freund glauben konnte, und er hatte keinen Anlaß, dessen Angaben zu bezweifeln, dann wären die Saint Clairs verarmt gewesen. Die Familie trug jedoch einen alten und ehrbaren Namen, und ihr Stammbaum reichte bis in die Zeiten William des Eroberers zurück. Eine Tochter, die den Brand ihres Heims überlebt hatte, würde sich, bei dieser Abstammung, bestimmt nicht dafür entscheiden, spurlos vom Erdboden zu verschwinden.
Dennoch - Patrick war ein Freund, und als solcher hatte er Bretts uneingeschränkte Unterstützung verdient. Ihre Beziehung reichte zurück zu den Tagen als Kajütjungen und war nur durch den Aufenthalt des kräftigen Mannes in Amerika unterbrochen worden. Lächelnd beugte Brett sich vor und klopfte ihm herzlich auf die Schulter.
„Du weißt, Patrick, daß du es nur sagen mußt, falls ich irgend etwas tun kann, um dir bei der Suche nach deiner Schwester behilflich zu sein."
Patrick erwiderte das Lächeln. „Danke, mein Freund. Vielleicht kannst du tatsächlich etwas für mich tun. Ich nehme an, daß ich, sobald ich meine Geschäfte hier erledigt habe, nach Kent zurückkehren werde. Kannst du mich bei dir unterbringen, wenn ich dort bin?"
„Ich dächte nicht daran, dich irgendwo anders wohnen zu lassen." Brett schaute sich einen Moment nachdenklich im Raum um, der sich, seit sie das Gespräch vor einer halben Stunde begonnen hatten, langsam gefüllt hatte. „Ich glaube, wir sind ungestörter, wenn wir die Beine etwas bewegen. Meinst du nicht auch?"
Nickend stand Patrick auf.
Brett winkte den Kellner heran, und einige Minuten später schlenderten die beiden Männer die Straße hinunter.
Ashleigh und Megan saßen in dem kleinen vorderen Salon von Ravensford Hall und tranken den Tee, den Seine Gnaden ihnen vom Butler hatte servieren lassen. Auf einen Betrachter hätten sie wie zwei vornehme englische
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