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005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.H. Keller
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macht sich Sorgen um mich. Er möchte gern wissen, was mit mir los ist. Manchmal stellt er mir Fragen, aber ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Es ist alles so verwirrend und unbegreiflich.
    Er scheint mir so fern. Ebenso ist mir die ganze Welt schon fern gerückt, die Welt, die ich verlassen muss.
    Manchmal kommt mich Michel besuchen. Er sucht sich immer einen Zeitpunkt aus, zu dem Pierre nicht zu Hause ist. Michel scheint Bescheid zu wissen.
    Er scheint zu wissen, dass ich sterben muss. Er hat auch gesagt, dass ich keine Schmerzen haben werde.
    Ob er weiß, was das für ein gespenstisches Wesen ist, das mich langsam tötet und in eine Welt hinüberziehen will, von der ich nichts weiß?
    Ende Januar ist es jetzt. Einige Tage bleiben mir noch.
    Ich wollte alles aufschreiben, alle meine Eindrücke festhalten. Es sind immer die gleichen.
    Mehrmals erwache ich in der Nacht und weiß, dass er da ist, dass er sich mir nähern wird.
    Ich schaudere, und dann legt sich der gespenstische Mund auf den meinen.
    Ich würde ganz gern einmal nicht in Ohnmacht fallen, um zu wissen, wie dieser Kuss ist, aber die Lebenden dürfen vielleicht solche Erfahrungen nicht machen. Manches sollen sie wahrscheinlich nicht wissen.
    Doch gehöre ich denn wirklich noch zu den Lebenden?
    Gestern bin ich auf den Friedhof gegangen. Ganz allein bin ich zwischen den Gräbern umhergewandert. Ich hatte das Bedürfnis, die Toten zu besuchen.
    Die Toten, zu denen ich bald gehören werde.
    Noch drei Tage.
    Ich werde keine Eintragungen mehr in mein Heft machen. Warum sollte ich auch? Ich habe nichts mehr zu sagen.
    Mich erfüllt tiefe Traurigkeit bei dem Gedanken, dass ich Pierre allein zurücklassen muss.
    Bald wird er mich holen. Bald muss ich gehen.
     

     
    Ich habe Suzannes Heft ausgelesen. Die Ärmste! Wie muss sie gelitten haben!
    Jetzt werde ich ihre Aufzeichnungen verbrennen. Es ist besser so. Wenn ein Außenstehender das Heft fände, würde er glauben, dass Suzanne verrückt geworden ist.
    Aber ich weiß, dass dies nicht der Fall ist.
     

     
    Endlich wird es Tag. Ich habe kein Auge zugetan, sondern nur Suzanne angesehen, Suzanne, die entsetzliche Qualen leidet.
    Noch zweimal ist sie, von der Erscheinung gepeinigt, aufgefahren, ehe es hell wurde. Ich habe versucht, das gespenstische Scheusal abzuwehren, aber meine Hände haben ins Leere gegriffen. Ich konnte ihr nicht helfen.
    Schon in wenigen Stunden wird es so weit sein, dass sie gehen muss.
    Aber Michel wird vor ihr sterben. Suzanne soll gerächt werden.
    Meine Entscheidung steht fest. Heute muss er büßen.
    Seit Tagesanbruch liegt Suzanne in unruhigem Schlummer. Jetzt hebt sie die Lider. Sie sieht mich an und ringt sich ein schwaches Lächeln ab.
    Ich habe die Vorhänge zurückgezogen. Helles Licht strömt ins Zimmer. Draußen scheint die Sonne am blauen Himmel, aber es ist immer noch eisig kalt.
    Vogelschwärme ziehen über den Himmel. Ihr Geschrei dringt zu mir herab.
    Dann gehe ich in die Küche hinunter. Ich setze mich an den Tisch und denke nach.
    Michel muss sterben. Aber diesmal werde ich meinen Entschluss bei Tag in die Tat umsetzen. Da kann er mir nicht entwischen.
    Ich werde mein Gewehr nehmen. Ja, ihn erschießen – das ist die einfachste Lösung.
    Ich höre Schritte hinter mir. Suzanne tritt in einem Morgenrock herein, der ihr inzwischen viel zu weit geworden ist. Es ist erstaunlich, dass sie überhaupt noch die Kraft hat, zu gehen.
    Sie setzt sich in ihren Sessel, der am Kamin steht. »Willst du ausgehen?« fragt sie.
    »Ja, ich gehe auf die Jagd.«
    »Schon wieder?«
    »Ja.«
    »Ich mag nicht allein bleiben.«
    »In einer Stunde bin ich wieder da.«
    »Was willst du denn schießen?« fragt Suzanne.
    Merkwürdig, sie hat mir noch nie eine solche Frage gestellt, wenn ich zur Jagd ging.
    »Einen Hasen«, erwidere ich.
    Sie senkt den Kopf und schließt die Augen. Ich verlasse leise den Raum.
    Der Wind weht nicht mehr mit solcher Heftigkeit wie in der Nacht. Ein Schwarm Enten zieht über meinem Kopf dahin. Ich höre ihre schrillen Schreie.
    Michel … Ich bin sehr ruhig, erstaunlich ruhig. Vermutlich deshalb, weil ich weiß, dass er mir diesmal nicht entgehen wird.
    In der Nacht waren meine Sinne verwirrt. Ich war nicht mehr ich selbst.
    Michel empfängt mich an der Haustür.
    »Willst du zur Jagd?« fragt er.
    »Ja. Kommst du mit?«
    »Es ist so kalt«, erwidert er.
    »Na, wenn schon!«
    »Komm doch herein«, fordert er mich auf.
    In der Küche angekommen, drehe ich

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