0050 - Der Gelbe Satan
gefunden und folgte seinem Vordermann.
Die Männer schritten nicht im Gleichschritt. Ich wurde durchgeschaukelt und hatte das Gefühl, mein Magen würde immer höher wandern. Ich atmete durch den Mund und schluckte oft, um den Brechreiz zu unterdrücken.
Es gelang mir, obwohl das miese Gefühl immer noch blieb.
Der röhrenförmige Kanal führte schnurgerade unter der Erde entlang. Es mußte der Hauptkanal sein, denn hin und wieder mündeten kleine Abwasserbäche in diesen Lauf.
Ich war gespannt darauf, wo man mich hinschleppen würde. Vielleicht wurde ich durch einen Gully irgendwo ans Tageslicht geschafft. Tageslicht war gut. Die Sonne befand sich sicherlich schon jenseits des Horizonts, und die Dunkelheit hatte den heißen Tag abgelöst.
Meine beiden Träger sprachen kein Wort miteinander. Sie hatten ihre Aufgabe, und die führten sie auch durch. Egal, was geschah.
Meine Knochen spürte ich kaum noch. Der Körper fühlte sich völlig taub an, so als würde er gar nicht mehr zu mir gehören. Ich kam mir vor wie ein Scheintoter, konnte zwar noch sehen, hören und sprechen, bekam auch alles mit, was um mich herum geschah, aber ich war nicht in der Lage, selbst aktiv zu werden.
Wieder und wieder wurde ich durchgeschüttelt. Wenn die beiden Träger schneller gingen, schwang auch ich hin und her. Ein paarmal berührte ich links von mir die feuchte Wand.
Ich achtete weiter auf die Ratten. Von den Tieren sah ich kaum noch etwas. Hin und wieder noch schwammen ein paar Körper auf den Wellen des Schmutzwassers. Auch den Gelben Satan und seine Vampire hatte ich aus den Augen verloren. Sie befanden sich weit vor mir.
Dann aber glaubte ich, daß die Luft frischer wurde.
Ich schnupperte wie ein Hase, der die Witterung eines Feindes aufgenommen hatte. Tatsächlich, ich täuschte mich nicht.
Wir näherten uns dem Ausgang.
Und die Frischluft kam nicht von oben, sondern von vorn. Der Kanal mußte demnach direkt ins Freie führen.
Hoffnung keimte in mir hoch. Ich meinte auch, daß die Träger schneller gingen. Wahrscheinlich waren sie froh, die Unterwelt verlassen zu können.
Ich drehte den Kopf etwas und hob ihn an, um an dem vorderen Träger vorbeischauen zu können.
Etwas schimmerte hell.
Das war keine Kanal-Beleuchtung, sondern ein Schimmer, der aus dem Freien hereindrang.
Ich atmete auf. Obwohl es mir körperlich ebenso mies ging wie zuvor. Aber der Mensch klammert sich auch an einen Strohhalm.
Mit jedem Schritt, den meine Träger zurücklegten, wurde auch die Luft besser. Sie roch nach Salz, Meer und Ozean. Der Wind der Freiheit wehte mir entgegen.
Dann verließen wir die Unterwelt. Zuletzt mußten die Träger die Köpfe einziehen, um ins Freie treten zu können.
Wir befanden uns tatsächlich an der Küste. Aber an einem verlassenen, unbewohnten Streifen.
Wild schäumte das Meer gegen die dem Küstenstreifen vorgelagerten Klippen, wurde gebrochen und lief dann in langen Wellen auf dem steinigen Strand aus. Die Füße der Träger wurden naß, als sie mit mir am Wasser entlang schritten. Links erhob sich eine wilde und zerklüftete Felsenregion. Die von Wind und Wasser ausgewaschenen Steine bildeten seltsame Figuren und Formen. Sie wirkten wie Geschöpfe aus einer fantastischen Welt, und als jetzt der Mond hinter einer Wolke hervortrat und sein Licht auf die Küste warf, erinnerte mich die Felsstruktur an gewaltige ausgebleichte Knochen.
Es war ziemlich windig. Er heulte und jammerte um vorspringende Steinnasen und verbiß sich in meiner Kleidung, so daß die Hosenbeine flatterten. Den Trägern mit ihren nackten Oberkörpern machte der Wind nichts aus. Stoisch schritten sie weiter. Das Licht, das ich vorhin gesehen hatte, stammte von einer Sturmlaterne. Der Wind hatte sie inzwischen erfaßt und zwischen die Steine geworfen, wo sie zerbrochen war.
Ein dämonisches Wolkenspiel jagte über den Nachthimmel. Hin und wieder strahlten die Ränder der Wolkenberge fahlweiß auf, je nachdem, wie das Mondlicht sie traf.
Nach ungefähr hundert Yards wurde der Strand breiter, und die Felsen traten etwas zurück. Der vordere Träger wandte sich nach links. Das Wasser lief dort als breite Zunge in einen natürlichen Felsenhafen ein. Es war auch ruhiger, da zahlreiche Klippen die Wellen schon zuvor brachen.
Die Träger schritten mit mir am Rand der Mulde entlang. Ich warf einen Blick nach rechts auf die Wasserfläche.
In der Ferne schimmerten – kaum zu erkennen – einige helle Lichter. Vielleicht Positionsleuchten
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