0050 - Der Gelbe Satan
nicht enttäuschen.
Die Fingerspitzen der Frau strichen über seinen Handrücken, und Suko merkte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief. So etwas passierte ihm sonst nicht einmal, wenn er seinen Gegnern aus der Finsternis gegenüberstand.
Diese Frau hatte ihn verhext.
Ja, das war es.
Shao war eine Spinne, und sie hatte Suko in ihrem Netz gefangen. Aber noch bestand für ihn die Chance, das unsichtbare Netz zu zerreißen, doch Suko fand nicht die Kraft dazu. Seine Gedanken schweiften und drehten sich nur darum, wie schön es doch sein würde, wenn er mit der Frau zusammen war.
Der goldfarbene Rolls-Royce stoppte. Sie hatten Li-Shens Haus erreicht. Kai-tak lenkte den schweren Wagen durch die Einfahrt und fuhr auf einen düsteren Hof.
Er wurde von den Rückseiten alter Häuser begrenzt und diente gleichzeitig als Abstellplatz für zahlreiche Kisten, Fässer und Tonnen.
Suko zog hastig seine Hand zurück, als Kai-tak Anstalten machte auszusteigen. Er lief um den Wagen herum und hielt Li-Shen die Tür auf.
Suko hatte seine Tür ebenfalls aufgestoßen. Er verließ den Wagen, während Kai-tak darauf achtete, daß die Chinesin keine Dummheiten machte.
Dann stand sie auf dem Hof und strich ihr Kleid glatt. Ein spöttisches Lächeln kerbte ihre Lippen. Sie kam sich vor wie die große Siegerin. Und das war sie auch. Suko wagte nicht, den anderen in die Augen zu schauen. Er hatte Angst, sie könnten seine Gedanken lesen, obwohl dies Unsinn war, aber Suko plagte das schlechte Gewissen.
Er fühlte sich wie ein Verräter.
Li-Shen sprach ihn an. »Führe du sie ins Haus!«
»Ja, Meister.«
Suko faßte Shao am rechten, angewinkelten Arm. Küchendünste schwangen über den Hof. Für einen Europäer waren es fremdartige Gerüche, doch Suko lief das Wasser im Mund zusammen. Er verspürte plötzlich einen Bärenhunger.
Kai-tak klopfte in einem bestimmten Rhythmus gegen die graue Hintertür.
Einer der Bediensteten öffnete. Er verbeugte sich, als er Li-Shen erkannte und ließ die Männer ein. Auf der Frau blieb sein Blick länger haften.
Li-Shen bemerkte es und fragte: »Kennst du sie?«
»Ja, sie ist die Tochter von Huang, dem Totenbestatter. Man sagt, sie sei gefährlich wie eine Sandviper, Herr!«
»Da hast du sicher nicht unrecht«, erwiderte Li-Shen.
Shao lachte.
»Führ sie hoch!« befahl der greise Chinese.
Suko brachte die Frau zur Treppe. Sie war aus edlen Hölzern gefertigt, und gemeinsam schritten sie in die obere, mit wertvollen Teppichen ausgelegte Etage, wo sich auch die Privaträume Li-Shens befanden.
Kai-tak öffnete eine Tür.
Der Raum war völlig kahl. Die Wände bestanden aus Beton. Glatt und fugenlos. Suko wunderte sich. Dieses Haus mußte zahllose Verstecke und Schlupfwinkel bergen. Es schien ihm ein regelrechtes Labyrinth zu sein.
Roh zog Kai-tak die Chinesin von Suko weg und stellte sie an die Wand. »Hier sind früher Menschen erschossen worden!« sagte er.
»Willst du mich töten?« fragte die Frau.
»Verdient hättest du es!«
Li-Shen betrat den Raum. Er schloß die Tür hinter sich. Fest schaute er Shao an. »Was hast du uns zu sagen?«
»Nichts!«
»Du weißt, daß wir Mittel und Wege kennen, dich zum Sprechen zu bringen!«
»Dafür wird der Gelbe Satan euch vernichten.«
»Wie John Sinclair?«
Bei Nennung des Namens zuckte Suko zusammen. Danach straffte sich seine Haltung. An mich, seinen Freund, hatte er in der letzten Zeit nicht gedacht.
Er hatte nur Augen für die Frau gehabt.
Und Shao wußte, was sie für eine hübsche Frau war. Sie stellte sich so hin, daß ihre Figur voll zur Geltung kam, doch der alte Li-Shen schüttelte den Kopf.
»Auch damit erreichst du nichts, Weib!«
»Aber der Gelbe Satan hat etwas erreicht.« Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer triumphierenden Grimasse. »Er, den ihr längst tot geglaubt habt, ist zurückgekommen. Habt ihr die Anzeichen nicht bemerkt? Habt ihr nicht gesehen, wie sich die Ratten sammelten? Kennt ihr nicht die Weissagungen der alten Schriften? Wenn die Blutsauger und die Ratten sich sammeln, dann ist seine Stunde nah. Dann flieht, solange ihr es noch könnt.«
Li-Shen nickte. »Ich kenne die Schriften«, erwiderte er. »Aber ich weiß auch, daß man den Gelben Satan bekämpfen kann.«
»Du irrst dich, Li-Shen. Er ist stärker als je zuvor.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil ich ihm diene.«
Der greise Chinese strich mit zwei Fingern durch seinen Bart. »Warum dienst du ihm, Frau?«
»Weil ich es
Weitere Kostenlose Bücher