0052 - Der Teufelsring
bestehen.« Er nahm seine Arme um das Mädchen und drückte die Französin an sich. »Aber das Leben will es dummerweise nicht immer so, wie wir Menschen uns das gerne ausgedacht hätten. Das Leben ist grausam. Es schenkt uns nichts. Gar nichts. Glück muss erkämpft werden.«
»Du denkst an diesen Ahriman?«
»Ein wenig. Natürlich. Man darf nichts zu leicht nehmen. Du und ich, wir beide, wir wissen, dass in dieser unserer Welt nicht alles seine so genannte physikalische Ordnung hat. Es gibt mehr. Es gibt noch eine andere Welt. Wir müssen mit ihr leben. Und wenn die Wesenheiten aus dieser Parallelwelt sich anschicken, unsere Welt, die Welt der Lebenden, anzugreifen, dann müssen wir diesen Kräften begegnen.«
»Ich weiß«, flüsterte Nicole, und gab sich willig dem Druck von Zamorras zärtlichen Händen hin. »Du hast es schon ein paar Mal gesagt; wir sind nicht hier, um hier ein paar frohe, glückliche Tage zu verleben. Droht der Menschheit wirklich Gefahr?«
»Wer sollte diese Frage beantworten? Ich kann es nicht. Wir sind auf eine geheimnisvolle Aufforderung hin nach Istanbul gekommen. Wir werden uns dieser Aufforderung stellen.«
»Aber wir wissen doch gar nicht, wo wir mit unseren Nachforschungen anfangen sollen. Der Besuch bei Ciri hat jedenfalls nicht viel gebracht.«
»Das hat er nicht, nein. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass wir gar nichts so viel zu unternehmen brauchen. Man wird sich an uns wenden.«
»Wer ist ›man‹?«
»Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler. Aber wir werden von jetzt an aufpassen. Wir müssen mit allem rechnen. Auch mit dem Widersinnigsten.«
Nicole Duval seufzte.
»Aber jetzt bin ich müde«, sagte sie. »Könnten wir nicht auch im Bett auf das ›Widersinnige‹ warten?«
Zamorra schaute auf die Stadt hinunter, die zu ihren Füßen zum nächtlichen Leben erwachte.
»Dort können wir natürlich genau so gerne warten«, meinte er leise und streichelte dem Mädchen über das Haar. »Bei dieser Gelegenheit fällt mir sogar ein ziemlich reizvoller Zeitvertreib ein.«
Nicole lächelte ihn an.
»Ich dachte schon, du hättest darauf vergessen.«
Dann hakten sie sich unter und gingen ins Hotel zurück.
Die Stunden vergingen tatsächlich wie im Fluge.
***
Amad Kartürk war gerade sechzehn Jahre alt geworden. Er hatte die besten Schulen besucht, und ihm stand eine steile Karriere bevor, auch wenn er jetzt nur ein kleiner Page unter vielen im Istanbul-Hilton war.
Ein halbes Jahr Koffer schleppen, dann ein halbes Jahr Room-Service, und der Weg zum Chef d’Etage war geebnet. Die Geschäftsleitung würde ihn dann nach dieser Bewährungszeit auf die betriebseigene Hotelfachschule nach New York schicken, wo er den letzten Schliff bekommen sollte. Nach dieser Ausbildung schließlich hatte er sich alle Fähigkeiten erworben, die für weniger aufwendig geführte Hotelpaläste vollauf ausreichten, ihn zum gutbezahlten »Bell-Captain« werden zu lassen, zur Aufsicht über das Personal der Rezeption und der einzelnen Etagen. Amad Kartürk wusste trotz seiner Jugend genau, was er wollte. Er stand in der Eingangshalle in der Nähe der Aufzüge und beobachtete das bunte Treiben in der Lobby. Amad Kartürk hatte seinen Dienst soeben erst angetreten. Er würde bis in die frühen Morgenstunden andauern. Der Junge hatte diese Woche Nachtschicht. Sie war nicht so sehr beliebt, weil es da kaum Trinkgelder gab, aber Amad Kartürk hatte nur sein großes Ziel im Auge. Deshalb machte ihm auch der Nachtdienst nichts aus.
Amad Kartürk liebte seinen Arbeitsplatz. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er bettelnd vor den Türen der anderen Hotels gestanden hatte. Nicht weil er hatte betteln müssen, sondern weil das Leben in den Hotels ihn von frühester Kindheit her faszinierte. Er hatte deswegen des Öfteren Schläge vom Vater dafür einstecken müssen, der als mittlerer Beamter sein Brot wohl nicht überreichlich verdiente, aber doch seine Familie gut versorgen konnte. Der Junge dachte mit Belustigung an diese Zeit zurück. Dann glitten seine Blicke forschend über die Empfangshalle. Es gab keine Arbeit für ihn. So spät trafen keine Gäste mehr ein. Es ging bereits auf Mitternacht zu.
Amad Kartürk schlenderte auf den Eingang zu. Es würde eine langweilige Nacht werden und Mechmed, der uniformierte Türsteher, langweilte sich bestimmt genau so sehr, wie er auch. Ein kleines Schwätzchen konnte ihnen helfen, die Zeit zu vertreiben.
Mechmed schaute lustlos hinaus in die von
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