0053 - Die Geisterhand
er rechts an den Wagen vorbei und scherte sich einen Teufel darum, ob er andere Verkehrsteilnehmer behinderte.
Auch über die nächste große Kreuzung raste er wie ein Lebensmüder, Dann tauchte die Auffahrt zur Brücke auf.
Lichterketten zeichneten in der Nacht den Weg der Blackfriars Bridge nach. Direkt hinter dem stolzen Eisenbauwerk lag die U-Bahn-Station. Dort führte die breite Uferstraße der Victoria Embankment mit der Blackfriars Road zusammen. Scaramanga mußte mit der Geschwindigkeit herunter, wollte er keinen Unfall provozieren.
Das schien ihm egal zu sein. Er raste weiter mit unverminderter Geschwindigkeit.
Auf die Brücke zu.
Aber dort strahlten nicht nur die Lichter der normalen Beleuchtung, sondern auch andere.
Rot in der Farbe und quer zur Fahrbahn stehend.
Andere Wagen bremsten. Auf der linken Seite hatte sich bereits ein Stau gebildet.
Die Polizisten hielten alles an. Sie waren nur auf einen Wagen scharf.
Auf den Mercedes!
Und der wurde weitergepeitscht.
Kein Bremsen, keine Verringerung der Geschwindigkeit – nichts…
In voller Fahrt hielt Antonio Scaramanga auf die Straßensperre zu. Dicht hinter dem Brückenanfang war sie aufgebaut.
Durch einen Spruch löste er die magischen Fesseln. Jane Collins konnte sich wieder aufrichten.
Das hatte Scaramanga gewollt.
Zweihundert Yards bis zur Brücke!
Mitten auf der Fahrbahn stand ein Polizist und winkte. Die rote Kelle beschrieb einen Kreisbogen.
Jane Collins starrte über die Schulter des Fahrers. Ihre Augen wurden groß vor Schreck.
»Sind Sie wahnsinnig!« brüllte sie. »Bremsen! Bremsen! Halten Sie an!«
Vollgas!
Noch hundert Yards…
Scaramanga lachte.
Jane Collins trommelte wild mit ihren Fäusten auf seine beiden Schultern.
Fünfzig Yard.
Der Polizist hechtete zur Seite.
Jetzt war nur noch die Sperre vorhanden.
Aus!
***
Suko reagierte fantastisch. Während ich den Wagen startete und gleichzeitig die Tür zuschlug, griff er bereits nach dem Sprechfunkgerät, ging auf Notfrequenz und gab stichwortartig seine Meldung durch.
»Großalarm. Frau entführt. In einem dunklen Mercedes 230. Fährt über die Union Street in Richtung Westen. Will wahrscheinlich zur Blackfriars Bridge. Fahrbahnsperrung vor der Brücke. Aber rasch. Es geht um Minuten.«
Darum ging es tatsächlich. Wir hatten am eigenen Leibe erlebt, mit welch einem Gegner wir es zu tun bekamen. Dieser Dämon konnte sich verdoppeln. Er beherrschte die sogenannte Bilokation, die Fähigkeit, sich an zwei Orten gleichzeitig aufzuhalten.
Und das machte ihn so gefährlich.
Die breiten Scheinwerfer des Bentleys durchbrachen mit ihrem Lichtteppich die Dunkelheit. Noch fuhren wir über die Union Street. Und ich scherte mich diesmal keinen Deut um alle Verkehrsregeln. Ich peitschte die schwere Limousine voran. Manchmal zwang mich der Gegenverkehr, auf die linke Spur zurück.
»Hoffentlich spuren die Kameraden«, sagte Suko. »Wenn die keine Sperre errichten, sehe ich schwarz. Der Hundesohn hat einen viel zu großen Vorsprung.«
Ich hob die Schultern. »Meiner Meinung nach läßt sich dieser Dämon auch nicht durch eine Sperre aufhalten.«
Bremsen!
Vor uns im Licht tauchte die Einmündung zur Blackfriars Road auf. Blinker rechts, mit Volldampf in die Kurve und ab ging es.
Suko hielt wieder den Hörer in der Hand und meldete sich. »Ist die Sperre fertig?«
»Ja, fast.«
»Seht ihr den Wagen?«
»Noch nicht. Dort, das muß er sein.«
Suko runzelte die Stirn. »Okay, dann haltet ihn nach Möglichkeit auf. Aber nicht schießen, der Fahrer hat eine Geisel.«
»Ja, ja!« klang die aufgeregte Stimme zurück.
Suko hängte wieder ein. »Der ist wohl noch neu, der Knabe am anderen Ende.«
Ich nickte nur. Mein Fuß bekam den Bleischock. Er drückte das Gaspedal durch. Auf der linken Seite sah ich vor mir die Rückleuchten zahlreicher Wagen glühen. Dort hatte sich bereits ein Stau vor der Brücke gebildet. Wir aber jagten rechts weiter. Fahrzeuge, die es nicht rechtzeitig schafften, sich in den Stau einzufügen, standen halb auf der Überholspur oder fuhren langsam an der Blechschlange vorbei.
»Idioten!« preßte ich bei einem Ausweichmanöver hervor.
Verflucht, ich war nervös. Dieser Dämon hatte uns seine Macht demonstriert, und Jane Collins befand sich in seinen Klauen. Eine bessere Geisel hätte er gar nicht rauben können.
Wie ein Brett lag der Bentley auf der Fahrbahn. Kein Windstoß brachte ihn aus seiner Spur. Wieder einmal war ich froh, dieses Fahrzeug zu
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