0054 - Die grüne Hölle von Florida
wir zerlegten das Sumpfgebiet in kleine Planquadrate, die wir nacheinander in allen Richtungen durchkreuzten. Mückenschwärme verfolgten uns. Eine brütende, schwüle Hitze quälte uns. Ich erwartete, daß Rachel March endlich zugab, daß ihr die Strapazen doch zuviel waren, aber dazu kam es nicht. Ich muß gestehen, ich hatte das hübsche Mädchen unterschätzt. Keine Klage kam über ihre Lippen. Sie machte alles mit, ohne auch nur ein einzigesmal zu bedauern, mitgekommen zu sein.
Als sich die Sonne im Westen auf die Wipfel der Regenbäume herabsenkte, lenkte ich das Sumpffahrzeug nach Fort Lauderdale zurück.
Die strapaziöse Suche nach dem Versteck des Vampirs war ohne Erfolg geblieben. Man kann sich vorstellen, daß unsere Stimmung deshalb nicht gerade die beste war.
Ed Melville – verschwunden.
Zubin Zagarro – nach wie vor eine drohende Gefahr für die Bewohner von Fort Lauderdale. Das war wahrhaftig kein Grund, in Freude auszubrechen.
Ich gab Gas.
Das Sumpffahrzeug nahm die schnittige Schnauze hoch und flitzte die von Schlinggewächsen überwucherte Wasserstraße entlang. Wir hatten noch ein Versprechen einzulösen: Terence Robards, der Besitzer des »Pretty Flamingo«, hatte uns um Hilfe gebeten. Ich trachtete, noch vor Einbruch der Dunkelheit nach Fort Lauderdale zurückzukommen, um Robards beistehen zu können, wenn sich abermals jemand von Drue Londons Gang bei ihm blicken ließ.
Es dämmerte, als wir die Stadt erreichten.
Ich gab das Sumpffahrzeug nicht zurück, sondern mietete es sicherheitshalber gleich für zwei weitere Tage, damit es mir jederzeit zur Verfügung stand. Eine Maßnahme, die sich alsbald als sehr nützlich herausstellen sollte.
***
Er war noch nicht tot. Er lebte noch.
Und doch war Ed Melville in dieser kurzen Zeit bereits tausend Tode gestorben. Es war ihm ein Rätsel, wie ein Mensch so viel Angst überhaupt aushalten konnte.
Seit etwa zwanzig Stunden befand sich Ed Melville nun schon in diesem finsteren Erdloch – jenem Versteck des Vampirs, in das dieser ihn gebracht hatte. Kein Sonnenstrahl verirrte sich hier herein. Es war diesig. Man konnte nicht weit sehen.
»Ed Melville hing an einem der sechs dicken Pflöcke«, die Zubin Zagarro mit großer Kraft in den Boden gerammt hatte. Melville war festgebunden.
Ed Melville schauderte.
Er hatte sich bereits aufgegeben. Niemand würde ihn hier finden. Niemand konnte ihn retten. Er war dem Blutsauger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Der Untote war hier.
Ed Melville wandte den Kopf, und nun konnte er Zubin Zagarro sehen. In der Gestalt einer Fledermaus hing der Blutsauger von der Decke herunter. Mit dem Kopf nach unten.
Den ganzen Tag hing Zubin Zagarro schon so. Eine totenähnliche Starre hatte ihn befallen. Sie würde sich erst von ihm lösen, wenn die Sonne untergegangen war, denn er war ein Wesen der Finsternis.
Während des Tages hatte Ed Melville einmal das Brüllen eines Motors vernommen. Er hatte sofort aus Leibeskräften um Hilfe geschrien, doch er war nicht gehört worden, obwohl er so sehr darauf gehofft hatte.
Nun war vor Zubin Zagarros Versteck die Dunkelheit im Anmarsch. Die Sicht in der Erdhöhle wurde immer schlechter, und Augenblicke später begann sich der Vampir zu regen.
Ed Melville kroch sofort wieder die Todesangst in die Glieder. Sein an Alkohol gewöhnter Körper schmerzte ihn. Vor allem die Eingeweide. Und er hatte Hunger. Aber mit alldem wäre er schon irgendwie zurande gekommen, wenn nicht diese bohrende Furcht gewesen wäre, die ihn mürbe und verzweifelt machte.
Der Vampir löste sich von der Höhlendecke und nahm menschliche Gestalt an. Mit geschmeidigen Schritten kam er auf Ed Melville zu. Der Blasse starrte sein Opfer triumphierend an.
»Ich hoffe, du hattest keine Langeweile«, sagte Zubin Zagarro spöttisch.
»Ich bin ein alter Mann, Zubin Zagarro…«
»Dein Blut wird mir trotzdem schmecken!«
»Ich habe Hunger. Ich habe Durst. Ich habe Angst. Eins von den dreien wird mich umbringen.«
»So schnell stirbt man nicht.«
»Laß mich laufen. Ich flehe dich an. Gib mir meine Freiheit wieder. Ich… ich kann nichts dafür, daß Butch Wooley die weiße Fledermaus getötet hat. Ich wollte es verhindern.«
Der Vampir grinste diabolisch. Er kam näher. Ed Melville roch den fauligen Atem des Blutsaugers. Ihm wurde übel.
»Wer sich einmal in meiner Gewalt befindet, der bekommt seine Freiheit erst wieder, wenn er zu dem geworden ist, was ich bin!«
»Nein!« schrie Ed Melville
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