006 - Der Teufelsbeschwörer
reichte nicht aus, um die Marmorplatten wieder auseinanderzuzwingen.
»Roxane!« schrie ich aus vollen Lungen. »Roxane, kannst du mich hören?« Meine Stimme rief einen vielfachen Widerhall in der verfluchten Kapelle hervor.
»Roxane… ane … ane … ane … ane …«
»Ja, Tony!«
Ihre Stimme drang durch den Boden. Dünn, leise, verwehend.
»Bist du okay?« wollte ich wissen.
»Ja«, geisterte es mir durch den Boden entgegen. »Ich bin hier eingeschlossen, komme nicht raus!«
»Setz deine Energie ein!«
»Das habe ich schon getan! Die Wände sind mit schwarzen Kraftfeldern überzogen!«
»Und die Decke?«
»Hab’ ich noch nicht versucht.«
»Dann versuche es jetzt.«
»Ich habe mich vorhin zu sehr verausgabt. Laß mir ein bißchen Zeit, Tony.«
Mir kam ein Gedanke. »Okay! Wir versuchen es gemeinsam! Vielleicht schaffen wir es dann! Sammle inzwischen neue Kräfte! Ich komme gleich wieder!«
Hastig sprang ich auf. Von den Teufelsmönchen ließ sich zum Glück keiner blicken. Ich hastete aus der verfluchten Kapelle, in die Sintflut hinaus, die mich durch den Park schwemmte.
Die unheimlichen Mönche blieben mir auch weiterhin fern. Gut so. Ich konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Atemlos rannte ich aus dem Park, erreichte meinen Peugeot und schloß den Kofferraum auf. Vor mir lag die magische Streitaxt, die Mr. Silver erbeutet hatte.
Schwarzer Ebenholzschaft. Scharfes, blinkendes Metall, mit starker Magie aufgeladen. Ich war damit erst kürzlich einer Satansuhr zuleibe gerückt.
Mit beiden Händen packte ich das wertvolle Stück.
Der Kofferraumdeckel flog zu, ehe die Wassermassen eine Überschwemmung anrichten konnten.
Ich kehrte mit der starken Waffe in die verfluchte Kapelle zurück, stürmte bis zum Altar vor, stoppte, beugte den Rücken und rief wieder Roxanes Namen. Sie teilte mir mit, daß sie schon wieder bei Kräften war. Ihre weiße Energie und die Kraft der magischen Streitaxt mußten den Boden noch einmal aufbrechen. Wenn das nicht gelang, befand sich die Hexe aus dem Jenseits in einer lebensgefährlichen Lage, denn irgendwann in dieser Nacht – so nahm ich an – würden die Teufelsmönche zurückkehren, und sieben Gegner würden zuviel sein für die weiße Hexe.
»Hör zu, Roxane!« rief ich. »Ich habe die magische Streitaxt bei mir. Wenn ich ›los‹ rufe, schleuderst du deine gesamte weiße Kraft gegen die Decke, und ich schlage gleichzeitig mit der Axt zu! Mal sehen, was dann passiert! Verstanden?«
»Ja«, sagte der schwarze Marmor zu mir.
Wollen hoffen, daß es klappt! dachte ich und spannte meine Muskeln. Weit holte ich aus. Kraftvoll schlug ich zu. Im Schlagansatz schrie ich: »Los!« Und ich flehte zu Gott, daß das Timing stimmte.
Blitzend zerteilte die magische Streitaxt das Dunkel. Klirrend hieb sie genau auf die Stelle, die ich treffen wollte. Ein abgezirkelter Schlag, der hoffentlich die schwarzen Kraftfelder aufbrechen und zersplittern würde. Gleichzeitig schossen weiße Energien von unten nach oben, prallten gegen die Decke, und knirschend und krachend spaltete sich vor mir der Boden. So ruckartig, daß es mir die Beine auseinanderriß und ich beinahe gestürzt wäre.
Aufgeregt ließ ich die Streitaxt fallen.
Ich warf mich auf den Bauch und streckte meine Arme in die Knochenkammer hinab. Roxanes Finger berührten meine Hände.
Ich griff so fest zu, als wollte ich sie nie mehr loslassen. Wild bog ich mein Kreuz zurück. So schnell ich konnte, hievte ich das Mädchen aus der Kammer, denn ich wußte nicht, wie lange der Riß bestehen bleiben würde. Er konnte sich jederzeit wieder schließen.
Als Roxane neben mir stand, erkannte ich, daß die Eile nicht nötig gewesen wäre. Der Boden blieb offen. Wir hatten etwas an dem höllischen Mechanismus zerstört.
Roxane schüttelte ihre schwarze Mähne zurück. Ihr Hut war in der Knochenkammer liegengeblieben. Ein Verlust, den wir verschmerzen konnten.
Die Hexe aus dem Jenseits blickte sich mißtrauisch um. »Wo sind sie, Tony?«
»Keine Ahnung.«
»Ich habe Angst vor dem, was sie tun werden.«
»Vielleichtfinden wir ihre Spur. Komm.«
Wir verließen die verfluchte Kapelle. Draußen war alles unverändert. Die Stadt schien immer noch im Begriff zu sein, unterzugehen. Plötzlich gellte der Schrei eines Mädchens auf, und wir konnten uns dafür nur einen Grund denken: die Teufelsmönche!
***
Vergessen war der Streit. Wie ein abgebranntes Strohfeuer fiel der Haß in sich zusammen. Eine ungeheure Bedrohung war
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