006 - Ende eines Quellherren
Männer, auf ihren etwas weiter entfernt platzierten Stühlen, noch der junge Mann direkt neben dem Computer achteten darauf. Der jüngere Mann sprach gerade, doch den Mienen der fünf älteren war nicht zu entnehmen, ob sie sich seinen Worten öffneten oder verschlossen; sie drückten eigentlich nur Langeweile und Desinteresse aus.
»Die Eingaben der Bevölkerung lassen uns keine Wahl«, sagte der jüngere Mann und deutete auf die weiß flimmernden Buchstaben auf grünem Phosphoruntergrund im Bildschirm des Peripherieterminals. »Sie haben sich erschreckend gehäuft.«
»Das wissen wir, Sekretär Shabazed«, erwiderte Honosat, der Sprecher der fünf.
»Die enormen Einbußen an Lebensqualität haben die Grenzen des Zumutbaren längst überschritten. Jeder, der den Verstand noch beisammen hat, wird die Ursache erkennen. Die Führungskräfte sind den Problemen nicht gewachsen und verschwenden ihre Energien mit uneffektiven Verwaltungsstrategien.«
»Die Führungskräfte?«, meinte Honosat ironisch. »Auch der Sekretär des höchsten Verwaltungsvorsitzenden?«
»Das ist das Problem«, lächelte Shabazed. »Ich bin nur der Sekretär. Ich kann meine eigenen Vorstellungen nicht durchsetzen, Vorstellungen und Programme, die den Zusammenbruch unseres Inselreiches verhindern, zumindest aber aufhalten können. Die Lage spitzt sich zu; vor allem die Beschwerden über plötzlich versagende Illufelder und blockierte Nahrungsspender häufen sich. Und unter der Bevölkerung des Nordarms macht sich aufgrund der ständigen Stromausfälle Unruhe breit.«
»Was schlägst du also vor?«
»Das Verwaltungskonsortium muss aufgrund dieser Eingaben die Absetzung ihres unfähigen Vorsitzenden beschließen«, führte Shabazed aus, »oder es wird eine Welle des Widerstands über uns hinwegschwappen, die zu katastrophalen Veränderungen der bisherigen Strukturen führen wird. Keiner wird davon ausgeschlossen sein; wir alle werden um unser Leben zu fürchten haben.«
»Dann wollen wir abstimmen.«
Während die fünf Mitglieder des Konsortiums die Wahlknöpfe auf ihren Sesseln betätigten, drehte sich Shabazed langsam zum Computerbildschirm um. Die von ihm erstellten Statistiken waren einem großflächigen Schaubild gewichen, das in diesem Moment zu allen Peripheriecomputern der Station übertragen wurde.
Zuerst leuchtete fast zögernd ein roter Pfeil auf, dann gleichzeitig vier weitere. Das Ergebnis war einstimmig.
Shabazed beugte sich über das Peripheriegerät und öffnete eine Kommunikationsleitung. »Hier spricht der neue Verwaltungsvorsitzende Shabazed«, sagte er. »Der bisherige Verwaltungsvorsitzende Gasakor ist seines Amtes enthoben worden. Gasakor ist sofort in den Zentralraum zu bringen.«
Mit einem leisen Lächeln schloss er den Kommunikationskanal wieder. »Meine Verwaltungsstrategien werden den gewünschten Erfolg zeigen«, sagte er zu den fünf Mitgliedern des Konsortiums. »Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran.«
Und das war nicht gelogen. Schließlich hatten ihn seine bisherigen Strategien auch zum Ziel geführt.
*
Gasakor seufzte.
Vorgestern hatte er sich mit Jorella die Grasmatte geteilt und sie hatte sich ihm hingegeben, während der beißende, aber nicht unangenehme Qualm des räuchernden Fischfleisches ihre erregten Leiber umschwoll. Gestern hatte er sie zu einem Flug in einem Fesselballon eingeladen, der sie über das kalte Meer trieb und in dem sie ganz für sich allein gewesen waren. Eine Tiefseefahrt mit den Ernteflößen hatten sie abgebrochen, weil die Tiere in der See zu monströs und außerdem nicht schmackhaft genug waren.
Und heute lagen sie im Bett unter der Kuppel.
Er blickte auf die runzlige Haut ihrer Brüste, die im Dschungel und über den Meeren noch so griffig straff gewesen waren. Sie hatte sich beleidigt zur Seite gewandt, nachdem sie vergeblich versucht hatte, sich ihm zu nähern.
»Das siebte Zeitalter des verbotenen Experiments«, meinte Gasakor schläfrig, »ist einfach wunderbar. Wo sonst kann man auf den Meeren und im Dschungel solche Abenteuer erleben?«
»Das Zeitalter der sexuellen Neuerung während des Interregnums ist auch nicht zu verachten«, erwiderte Jorella. »So mancher Dorianer hat mich schon um den Schlaf gebracht«, fügte sie anzüglich hinzu.
Sie schwiegen. Eine Uhr vertickte die Zeit. Irgendwo klopfte es rhythmisch gegen den Boden.
»Lass uns etwas essen«, meinte er schließlich und tätschelte ihren Bauch. Dann brauche ich dich wenigstens nicht
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