006 - In der weißen Hölle
Dinger sahen ein bisschen aus wie pelzige Pizzas, aber sie würden ihren Zweck erfüllen.
Schließlich brachen sie auf.
Draußen vor dem Höhleneingang bot sich ihnen ein atemberaubender Ausblick: Vor ihnen lag ein weites schneebedecktes Tal, das von gewaltigen Berg- und Felsmassen umgeben war. Bizarr geformte Spitzen von Fels und Eis ragten rings um die Gipfel in die Höhe, wirkten wie knochige Finger, die sich in die klare Morgenluft streckten.
Über diesem Schneefeld also waren sie am Abend herabgekommen. Vom Kadaver der Androne war weit und breit nichts mehr zu sehen - der Sturm hatte dafür gesorgt, dass das Tier unter Massen von Schnee begraben worden war, ebenso wie ihre Spuren - und die des Narka-to.
Es schien eine unberührte jungfräuliche Welt zu sein, auf die sie ihren Fuß setzten, umgeben vom tausendfachen Funkeln der Eiskristalle, die auf der harschen Schneedecke glitzerten.
Sie hatten Glück im Unglück gehabt. Dem Stand der Sonne nach hatten sie den Grat auf dem Rücken der Androne überwunden. Nun galt es, irgendwie ins Tal zu gelangen - ein mehrtätiger beschwerlicher Marsch, für den der Proviant keinesfalls reichen würde.
Matt hoffte darauf, dass sie irgendwo auf eine Siedlung stießen - und er betete, dass die Bewohner keine Kannibalen sein würden. Die sterblichen Überreste, die er im Taratzennest gefunden hatten, ließen darauf schließen, dass in der Nähe Menschen leben mussten.
Vorsichtig stiegen sie über das Schneefeld ab, das steil in die Tiefe führte, geradewegs auf eine Reihe von Felskämmen zu, die in einiger Entfernung aufragten. Was dahinter lag, konnten Matt und Aruula nicht erkennen - die tieferen Regionen lagen in Wolken und dichtem Nebel.
Trotz der Sonne, die immer weiter hinauf in den stahlblauen Himmel kletterte und dabei trotzdem seltsam milchig blieb - ein Phänomen, das Matthew schon gleich nach seiner
»Ankunft« hier bemerkt hatte -, war es empfindlich kalt. Matt wünschte sich, einen Thermoanzug bei sich zu haben.
Aruula schien die Kälte weniger auszumachen. Durch das Leben mit Sorbans Horde war sie an die raue Natur gewöhnt. Ihr Gesicht war leicht gerötet, sichtbare Atemfahnen kräuselte sich aus ihrem Mund.
Matt fand, dass sie atemberaubend schön aussah.
Wild. Ungezähmt. Frei.
Sie sprachen wenig während des langen Marsches. Die Schneeschuhe leisteten gute Arbeit, verhinderten, dass sie bei jedem Schritt bis zu den Knien einsanken. Trotz des Gepäcks auf den Schultern kamen sie zügig voran, erreichten gegen Mittag die Felsenkette.
Die Sonne verfinsterte sich, als sie in den Nebel eindrangen. Der glutgelbe Ball, der eben noch am Himmel gelodert hatte, verwandelte sich in eine fahle schimmernde Scheibe, die durch den milchig grauen Schleier bald schon kaum mehr zu sehen war.
***
Matt und Aruula setzten ihren Marsch unbeirrt fort, jetzt allerdings wachsamer als auf dem offenen Gelände, wo sie jede Gefahr schon von weitem hätten kommen sehen. Die bizarren Felszacken, die sie umgaben, wirkten bedrohlich, boten dunkle Verstecke, in denen sich tausend Gefahren verbergen konnten. Der Boden unter ihren Füßen knirschte. Wind kam auf, der pfeifend um die schroffen Felsformationen strich.
Immer wieder wandte sich Matt um. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurden. Natürliche Vorsicht - oder bekam er allmählich schon Paranoia?
Die Felsenkette teilte sich, mündete in eine verschneite Schlucht, die steil bergab führte. Zu ihren Seiten ragten vereiste Felswände riesenhaft auf. Vorsichtig testete Matt den Boden. Er hatte keine Lust, mit einem Schneebrett abzugehen und in die Tiefe gerissen zu werden. Der Schnee war jedoch fest gefroren, bot sicheren Tritt. Matt erinnerte sich an die Bergsteigerausbildung, die er im Rahmen des Überlebenstrainings an der Offiziersakademie absolviert hatte. Er zog die Schneeschuhe von den Füßen, rammte die Hacken seiner Stiefel in den verharschten Untergrund und machte sich langsam an den Abstieg.
Aruula folgte seinem Beispiel. Langsam arbeiteten sie sich den steilen Hang hinab, wagten sich in die enge Schlucht. Beiden war klar, dass sie im Fall eines Angriffs - durch wen auch immer - in einer tödlichen Falle saßen. Je tiefer sie kamen, desto dichter wurde der Nebel, umgab sie schließlich so kompakt und grau, dass sie nicht einmal mehr die nur wenige Meter entfernten Felswände sehen konnten. Matt und Aruula blieben dicht beieinander. Ihre Sinne waren aufs äußerste angespannt. Langsam tasteten
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