0060 - Der Geisterfahrer
des Anderen.
»Halt, im Namen des Lichts und des Guten!« schrie ich da, feuerte eine Silberkugel in die Luft ab und reckte mein Kreuz empor.
Suko stieß einen Karateschrei aus und stürmte voran, den Silberdolch in der Faust. Künzler, der Adept des Schwarzen Todes, lachte gellend. Ich sah, daß er zustoßen und das zweite Opfer töten wollte.
Da feuerte ich gezielt auf ihn. Der Hohepriester der Schwarzen Messe zersprang in Stücke wie ein Spiegel, in den eine Eisenfaust schlägt. Ein Hohngelächter gellte, die Dämonenorgel verstummte jäh, und von einer Sekunde zur andern verschwand der ganze Spuk.
Man hatte uns genarrt. Suko und ich standen allein in der dunklen, leeren Kapelle, die genauso aussah wie am Nachmittag. Keine Feuerbecken, kein grünliches Licht, keine Dämonen, kein Adept und keine Opfer.
Nur das Hohngelächter dauerte an.
»Sinclair«, rief eine höhnische Stimme, »Narr John Sinclair! Ohg, hohohoho, John Sinclair!«
Dann war es völlig still.
»Ende der Vorstellung«, sagte Suko lakonisch. »Der Schwarze Tod geruht mit uns zu spielen.«
»Immerhin wissen wir jetzt, daß wir auf allerhand gefaßt sein müssen«, sagte ich. »Diesmal war es nur ein Trugbild, das nächste Mal könnten die Dämonen Wirklichkeit sein. Auf Burg Felseneck herrscht das Böse. Es ist möglich, daß der Schwarze Tod seine Kreaturen herzuschicken vermag.«
Das war nicht überall der Fall. Auch die Schwarze Magie und die magischen Kräfte der Dämonen waren Gesetzesmäßigkeiten unterworfen, die ebenso streng wie die Naturgesetze galten. Kein Dämon konnte Horrormonster auf die Welt schleudern, wo und wie es ihm beliebte.
»Schöne Aussichten«, stellte Suko fest.
Ernüchtert verließen wir die Kapelle, in der es kalt geworden war. Draußen leuchtete noch das fahle Licht, die grünliche Scheibe stand über dem Söller. Im Wirtschaftsgebäude, wo der Burgverwalter und seine Angestellten wohnten, regte sich nichts.
Aber hinter dem Söller traten zwei Gestalten hervor, uns entgegen. Eine bleiche Erscheinung mit langen Eckzähnen und einem modrigen Umhang. Und eine behaarte Gestalt mit Reißzähnen und Klauen, die auf allen vieren ging.
Ein Vampir und ein Werwolf. Sie stellten sich zum Kampf. Außer ihnen waren keine weiteren Monster zu sehen. Ich steckte das silberne Kreuz und die Beretta weg, denn ich wollte die dämonischen Wesen nicht vorzeitig in die Flucht treiben.
Statt dessen nahm ich den kurzen Holzpflock in die Rechte. Suko hielt den silbernen Dolch so, daß seine große Hand das Kreuz verbarg. Wir waren gut aufeinander eingespielt. Ohne daß wir darüber sprachen, wußte Suko, daß ich versuchen wollte, den Vampir und den Werwolf zu packen.
Vielleicht konnten sie uns etwas verraten, wenn wir sie dazu zwangen.
»Ich nehme den Vampir«, sagte ich zu Suko.
Der hünenhafte Chinese nickte nur. Wir schritten näher, und mitten im Burghof standen wir einander gegenüber. Der Vampir stieß ein Heulen aus. Die dürren Hände wie Klauen vorgereckt, sprang er mich mit einem wahren Tigersatz an.
Gedankenschnell wich ich aus. Der Blutsauger, dessen Kopf wie ein mit lederartiger Haut überzogener Totenschädel aussah, verfehlte mich knapp. Ich knallte ihm die linke Faust hinters Ohr, daß er zur Seite flog und sich am Boden überkugelte.
Meine Hand schmerzte, als ob ich gegen hartes Holz geschlagen hätte. Suko empfing den Werwolf mit einem Karatetritt. Dem Monster brach im Getümmel ein Zahn ab. Schon war Suko an ihm und hieb mit dem Knauf des Silberdolches und mit der Handkante auf es ein.
»Mein« Vampir war rasch wieder auf den Beinen. Diese Höllenwesen hatten barbarische Kräfte. Diesmal stoppte mein Faustschlag den Blutsauger nicht. – Es konnte derselbe sein, der am Mittag im Burgkeller den Maurer angefallen hatte.
Er packte mich, er stank nach Tod und Verwesung, und seine klauenartigen Hände waren eiskalt. Ein Prankenhieb des Werwolf es verfehlte Suko nur knapp und zerfetzte den Stoff seiner Jacke an der linken Schulter.
Ich rang mit dem Vampir, Suko kämpfte mit dem Werwolf. Der Blutsauger war ungeheuer stark. Ich konnte ihn nicht niederhalten, ja, es gelang ihm, sich auf mich zu wälzen. Seine Linke krallte sich in meine Haare, und er riß den Rachen auf.
Ich lag mit dem Rücken auf dem schmutzigen Kopfsteinpflaster. Die Vampirzähne näherten sich meiner Halsschlagader. Aber so leicht ließ sich John Sinclair von einem Vampir nicht den Lebensfaden abtrennen.
Mein Holzpflock drang vom Rücken her
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