0064 - Im Zeit-Gefängnis
sollten wir nicht beobachtet werden?" fragte er. „Zeugt nicht die bevorstehende Landung des Schiffes davon? Aber noch wissen wir ja nicht, ob es überhaupt landen will. Vielleicht..."
„Vielleicht ist es ferngesteuert und soll uns - beobachten! Da hätten wir es ja! Wir kennen zwar die Intelligenzen der fremden Zeitebene nicht, aber wir sollten sie auch nicht unterschätzen. Mir jedenfalls kommen die Druuf nicht geheuer vor. Sie sind mehr, als sie scheinen wollen."
Sie wanderten durch die Ebene und überquerten den Fluß, der ehemals vor der schwarzen Wand geflossen war. In der Ferne erkannten sie den Galgenbaum, davor eine bekannte Gestalt: Josua. Und in knapp hundert Metern Höhe schwebte das Schiff. Rous schaltete den Ring-Sender ein. „Was ist, Josua? Landet es nicht?"
„Es hat angehalten", kam die Stimme des Afrikaners. „Es sinkt nicht weiter. Es will also doch nicht landen. Ob es uns gesehen hat?"
„Unmöglich! Wir bewegen uns viel zu schnell."
Rous hatte ein unsicheres Gefühl, als er das sagte. Er war plötzlich nicht mehr so sehr davon überzeugt, daß die Druuf sie nicht sehen konnten. Wenn sie ein wenig Ahnung von Technik hatten - und das mußte der Fall sein, denn sie bauten Raumschiffe - dann konnte es ihnen auch gelingen, die Zeitsperre zu durchbrechen.
Sie benötigten fünf Minuten, dann standen sie bei Josua und unter dem reglos über ihnen schwebenden Schiff. Rous sah seine Vermutung bestätigt. „Eine Beobachtungsstation", sagte er und deutete nach oben. „Sehen Sie die verschiedenen Kameras, die auf uns gerichtet sind? Ich nehme an, wir haben es mit einer Relais-Station zu tun. Sie nehmen uns mit Fernsehkameras auf und leiten das Bild weiter - wohin, das allerdings weiß ich auch nicht. Vielleicht in eine ihrer Städte oder in ein anderes Schiff."
„Sie meinen, in dem Schiff ist niemand?" fragte Steiner verwundert. „Robotgesteuert?"
„Das ist nicht sicher, aber ich bin davon überzeugt, daß dieses kleine Schiff nichts anderes als das Beiboot eines größeren ist. Sie wollen sich nicht in Gefahr bringen und senden eine bewegliche Fernsehkamera. Wir würden es kaum anders machen, wenn wir in ihrer Haut steckten."
Steiner kniff die Augen zusammen.
„Beantworten Sie mir zwei Fragen, Leutnant, und ich werde nichts mehr sagen."
„Fragen Sie!"
„Erstens: Warum bringen sie ihre Kameras so offen an? Zweitens: warum sind es mindestens acht oder zehn Kameras, die auf uns gerichtet sind? Würde eine nicht genügen?"
Rous hatte einige Falten auf der Stirn, als er über die Fragen des Physikers nachdachte. Er wußte, daß der Wissenschaftler keine einzige Frage ohne besonderen Grund stellen würde. Die Antwort war nicht ganz einfach.
„Warum sie die Kameras nicht versenkbar einbauten, weiß ich nicht. Es wird schwer sein, darauf eine plausible Antwort zu finden. Was Ihre zweite Frage angeht, so glaube ich schon, eine Erklärung finden zu können. Nehmen wir einen Vergleich zu Hilfe. Wenn ich zwei oder drei Tonbandgeräte habe, kann ich mit Überspielungen ein ganz normales Musikstück so dehnen, wie ich möchte. Wenn es vorher normal drei Minuten dauert, ist es einfach, es in einen Impuls von drei Sekunden Länge zu verwandeln. Ich würde es natürlich kaum noch wiedererkennen, aber das steht nicht zur Debatte. Ich kann die drei Minuten aber auch genauso gut auf drei Stunden ausdehnen. Jeder einzelne Ton würde dann Minuten dauern."
„Wunderbar", sagte Steiner. „Und was soll das?"
„Übertragen Sie die akustische Erfahrung in das Gebiet der Optik, Steiner. Die Fremden wollen uns sehen. Was müssen sie also tun? Sie nehmen uns mit ihren Kameras auf, simultan und gleichzeitig von einer Kamera zur anderen überspielend. Der Ablauf der Geschehnisse wird verlangsamt - und die Fremden, die 72000mal langsamer als wir leben, können uns sehen."
Steiner sah hoch zu dem unbeweglichen Schiff, das genau über ihnen stand. „Sie können uns sehen?" wiederholte er unsicher. „Dann sind wir nicht mehr länger sicher hier. Wenn sie es für richtig halten, werden sie uns töten..."
„Wie denn?"
„Wenn sie die Geschehnisse selbst verlangsamen können, um sie mit ihren Augen wahrzunehmen, dann werden sie auch Geschosse erfinden, die schnell genug sind, uns zu treffen."
Rous nickte langsam, gab aber keine Antwort.
*
„Sie dürfen nicht weiterleben."
„Warum nicht?"
„Ihr Einfluß ist schädlich auf den Verschmelzungsprozeß der Zeitebenen. Wenn wir sie am Leben lassen,
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