007 - Satans Bogenschütze
Niemand würde sie vermissen, denn sie hatte keine Eltern und keine Verwandten gehabt.
Craig Hogan fuhr die Victoria Street entlang. Auf der Höhe der Palace Street kam er gerade noch über die Kreuzung, und dann hatte er plötzlich eine Funkstreife hinter sich. Ein unwilliger Fluch kam über seine Lippen. Das Polizeifahrzeug überholte ihn rechts und stoppte ihn.
Zwei Polizeibeamte stiegen schwerfällig aus. Beide übergewichtig. Sie walzten heran.
»Guten Abend, Sir.«
»Guten Abend«, erwiderte der Bankier. »Ich habe doch keinen Fehler gemacht, oder?«
»Dürfen wir mal Ihre Papiere sehen, Sir?«
»Selbstverständlich.« Craig Hogan gab alles her, was er bei sich trug. Aus einem der Ausweise ging hervor, daß er Bankier war. Er hoffte, damit auf die Polizisten genügend Eindruck zu machen, daß sie ihn weiterfahren ließen.
»Sie sind vorhin im allerletzten Moment über die Kreuzung gerauscht, Sir. Dadurch wurden wir auf Sie aufmerksam.«
»Es war aber doch noch grün.«
»Darum geht es nicht. Würden Sie bitte mal aussteigen, Sir?«
Der Zombie war nahe daran, das Gaspedal durchzudrücken und loszubrausen. Er tastete nach dem Türgriff, öffnete den Wagenschlag. Die Polizisten ahnten nicht, daß sie mit einem Fuß schon im Grab standen. Wenn sie verlangten, er solle den Kofferraum aufmachen, würde er sie töten. Alle beide. Niemand würde ihn daran hindern können.
Die Uniformierten begaben sich mit Hogan zum Fahrzeugheck.
»Die Nummernschildbeleuchtung ist ausgefallen, Mr. Hogan.«
»Ich werde das an der nächsten Tankstelle beheben lassen«, versprach der Zombie lächelnd.
Er bekam seine Papiere zurück. »Haben Sie was mit den Augen, Mr. Hogan?«
»Ja, eine Netzhautentzündung, deswegen die Sonnenbrille. Sieht dumm aus, ich weiß, aber was soll man machen?«
»Gute Fahrt, Sir.«
»Danke.«
Die Uniformierten kehrten zum Streifenwagen zurück, stiegen ein und fuhren weiter. Ein zufriedenes Grinsen huschte über Hogans Gesicht. Wenn die Polizisten geahnt hätten, was er im Kofferraum transportierte, wären sie nicht so freundlich gewesen.
Er setzte sich in den Jaguar und fuhr weiter.
Wenig später erreichte er den Hafen. Er schaltete die Fahrzeugbeleuchtung ab und stieg aus. Stille umgab ihn. Und Finsternis. Als Mensch hätte er mit der Sonnenbrille vor den Augen absolut nichts mehr gesehen. Als Zombie fand er sich in der Finsternis aber sehr gut zurecht.
Kräne, alte Frachter, verwitterte Lagerhäuser, aufgestapeltes Frachtgut auf dem Kai. Weit und breit keine Menschenseele. Nur ein streunender Hund, der über Schienenschwellen lief und etwas zum Fressen suchte.
Craig Hogan machte einen kurzen Rundgang. Er entdeckte ein rostzerfressenes Gußeisenstück. Es mußte mal Bestandteil einer Maschine gewesen sein, wog etwa dreißig Kilogramm.
Der Zombie trug das Eisen zum Kaimauerrand. Dort legt er es ab, öffnete den Kofferraumdeckel seines Wagens und hob die Tote heraus. Auch sie legte er am Rand der Kaimauer ab. Erneut kehrte er zum Jaguar zurück. Er holte das Abschleppseil heraus, wickelte es um die Beine der Mädchenleiche, verband das andere Ende mit dem Eisenstück und stieß Jacqueline Skerritt und das Eisen sodann ins Wasser.
Es plumpste.
Luftblasen blubberten.
Wellen liefen in alle Richtungen davon.
Doch das Wasser beruhigte sich rasch wieder, und nichts wies darauf hin, daß hier soeben eine Leiche versenkt worden war. Zufrieden wandte sich der Zombie um. Er kehrte zu seinem Wagen zurück.
Da drang ein leises Geräusch an sein Ohr, und er wußte sogleich, daß ihn jemand beobachtet hatte!
***
Für Joel Walsh hatte es schon mal bessere Zeiten gegeben, damals, als er noch Leiter des riesigen Supermarkts in der Oakley Street gewesen war. Man hatte in ihm allgemein einen tüchtigen Menschen gesehen, der es innerhalb der Supermarktkette noch weit bringen konnte. Er war bereits für den Posten des Zentraleinkäufers im Gespräch gewesen, und er hätte diesen Job auch gekriegt, wenn…
Das Schicksal hatte ihm hart mitgespielt, hatte ihn brutal zum Verlierer gestempelt. Zuerst war ihm die Frau gestorben. Sie hatte sich ins Krankenhaus begeben, um sich eine lächerliche Warze abnehmen zu lassen, die ihn, ihren Mann, nie gestört hatte.
Das Pech wollte es, daß man ihr die falsche Injektion verabreichte. Ein bedauerlicher Irrtum. Folgenschwer. Denn die Frau brach augenblicklich zusammen und war nicht mehr zu retten.
Walsh hatte damals gedacht, verrückt zu werden. Er weinte, brüllte
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