0071 - Knochensaat
wohin?«
»Das werde ich dir nicht sagen, Vermessener. Aber ich habe genug geredet, es ist an der Zeit, daß ich mich dir zeige. Warte es ab, und du wirst die Hölle erleben.« Die Stimme verstummte.
Pfarrer Kroger war völlig aufgelöst. Ich hörte seine aufgeregte Stimme. »Was sollen wir denn jetzt machen?« flüsterte er. »Dieser Geist hat sicherlich nicht gescherzt.«
»Nein, das hat er auf keinen Fall.«
»Und nun?«
Ich hob die Hand. Der Pfarrer verstand das Zeichen und schwieg.
Gleichzeitig jedoch geriet der Knochenhaufen in Bewegung.
Plötzlich schoben sich die Gebeine hin und her, drehten sich um ihre eigenen Achse, und mich packte das kalte Grauen, als ich sah, wie sich die einzelnen Knochen in die Luft erhoben und zu neuen, makabren Körpern zusammenwuchsen…
***
»Nein!« In höchster Not stieß der Pfarrer das Wort aus. Er wollte nicht glauben, was er da mit eigenen Augen sah. Die Knochen stiegen der Decke entgegen. Ich sah Schädel, Füße, Arme und Beine. Sie schwebten, führten makabre Tänze auf und wuchsen aneinander. Ich zog die Beretta.
Es war nicht einfach, das Grauen abzuschütteln, was auch mich gepackt hielt, aber jetzt durfte ich mich nicht einfach von Gefühlen leiten lassen, sondern mußte etwas tun. Hatten sich einmal sämtliche Knochen zu Skeletten formiert, war es vorbei. Dann kamen sie wie eine Welle über uns, und wir konnten nichts dagegen tun. Jetzt war noch Zeit.
Doch ich zögerte zu schießen. Ich wollte keine Munition vergeuden, nein, mir fiel eine wirksamere Methode ein. Hastig löste sich es von meinem Hals. Dann drehte ich die silberne Kette um einen Finger und stach mit dem geweihten Kreuz direkt in den Knochenberg hinein. Die Wirkung war frappierend. Blitze zuckten auf. Knallrot und doch blendend. Ich taumelte unwillkürlich zurück und hielt schützend die Hand vor meine Augen, während ich mit der anderen Hand das Kreuz umklammerte.
Heulen und Wehklagen ertönte.
Etwas knirschte. Schreie folgten.
Hinter mir hörte ich die Stimme des Pfarrers. Er rief die Gebete, kämpfte auf seine Art gegen die finsteren Kräfte.
Ich riß die Augen wieder auf.
Mein Kreuz hatte wirklich einen durchschlagenden Erfolg erzielt. Dort, wo es den Knochenberg berührt hatte, waren die Gebeine regelrecht geschmolzen.
Ein Trichter befand sich innerhalb des Knochenhaufens.
Er erinnerte mich an einen Krater. An den Rändern schwarz glänzend. Dunkle, dünne Rauchwolken stiegen daraus hervor und kräuselten der Decke entgegen.
Ein beißender Gestank machte sich breit.
Ich mußte husten.
Und die Skelette?
Sie hatten sich trotzdem formiert. Zwar nicht alle, denn ein Teil der Gebeine war schließlich verbrannt, aber sechs der Knochenmänner tanzten vor meinen Augen einen höllischen Reigen.
Ich sah die häßlichen, mit rotem Licht übergossenen Schädel, die leeren Augenhöhlen, das Grinsen der Gebisse, und sie dachten gar nicht daran zu verschwinden.
Sie griffen an.
Die Pistole hatte ich wieder weggesteckt, nachdem ich den Knochenhaufen mit meinem Kreuz angegriffen hatte. Das war ein Fehler, denn die Skelette ließen es nicht zu, daß ich die Beretta zog. Sie wußten genau darüber Bescheid, was ihnen gefährlich werden konnte.
Zwei knöcherne Finger umklammerten meinen rechten Arm. Sie packten ihn genau in dem Moment, als meine Hand im Ausschnitt des Jacketts verschwinden wollte.
Hart wurde sie herumgerissen. So wuchtig, daß ich zur Seite taumelte und in die Knie ging.
Grinsend beugte sich der Knochenmann über mich. Ich sah seinen häßlichen Schädel dicht vor meinen Augen, die Zähne klapperten, und ich wußte, daß er mich umbringen wollte. In meiner linken Hand lag noch das Kreuz. Und damit kämpfte ich.
Ich berührte den häßlichen Schädel. Das Skelett zuckte zurück, ließ mich los und heulte auf. Dann flog es förmlich auseinander, als hätte ein Blitz es gespalten. Raketengleich zischten die einzelnen Knochen durch das Gewölbe und klatschten gegen die kahlen Wände, bevor sie zu Boden fielen und zu Staub wurden. Ich kam wieder hoch.
Hinter mir hörte ich den Angstschrei des Pfarrers. Blitzschnell wirbelte ich herum und zog in der Drehung meine Beretta.
Ein Skelett hatte seinen kalten Finger um den Hals des Geistlichen gelegt. Es war ihm leicht möglich, denn das schützende Kreuz des Pfarrers lag auf dem Boden. Etwas polterte in meinem Rücken die Knochenrutsche herunter, ich achtete jedoch nicht darauf, sondern mußte mich um den Geistlichen kümmern. Ich
Weitere Kostenlose Bücher