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0072 - Die Ruine des Hexers

0072 - Die Ruine des Hexers

Titel: 0072 - Die Ruine des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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François Claireaux den Angeklagten Romain Rolland zum Tod durch die Guillotine. Das Urteil wird des heutigen Datums, des 12. Juno 1776, vollstreckt. Der Angeklagte ist hiermit dem Scharfrichter übergeben, der seines Amtes walten möge.«
    Endlich klappte der Vorleser sein Buch zu. Die beiden Büttel packten den Hexer, der mit blutigem Gesicht und unbewegt dem langatmigen Urteilsspruch zugehört hatte. Der Priester trat an Romain Rolland heran, hielt ihm das Kreuz vors Gesicht.
    Er sagte etwas, was im Lärm unterging. Der Hexer spie erst das Kreuz, dann den Priester an und wandte den Kopf ab. Die Zuschauer tobten, drückten gegen die Absperrung der rotberockten Gardisten, die bis zur Plattform zurückgedrängt wurden.
    Die Büttel und der Scharfrichtergehilfe schleiften Romain Rolland zur Guillotine. Dumpf begannen die Glocken wieder zu dröhnen.
    Und da brüllte Rolland mit einer Stentorstimme, die alles überschrie und bis in den letzten Winkel der Stadt zu hören war.
    »Ihr könnt mich nicht töten! Ich werde wiederkommen und der größte und mächtigste Dämon werden, der je über diese Erde gegangen ist. Satan wird mich erhalten. Alle, die an meinem Tod mitgewirkt haben, sollen sterben, und damit erreiche ich mein Ziel!«
    Frauen kreischten entsetzt, denn der Hexer spie und geiferte, schnitt Grimassen, die nicht mehr menschlich waren. Der Scharfrichter hieb ihm die Faust ins Genick, und dann ging alles ganz schnell.
    Romain Rolland wurde wie ein Sack auf die Guillotineplattform geworfen. Die Büttel und der Gehilfe hielten ihn nieder, zwangen seinen Kopf in die runde Aussparung vorn unter dem Fallbeil, die extra dafür vorgesehen war.
    Der Hexer schaute nach unten, in den Korb, in den sein Kopf fallen sollte. Nicole packte Zamorras Arm.
    »Ihr könnt mich nicht töten!« brüllte Romain Rolland mit schwellenden Stirn- und Halsadern in das Glockengedröhn hinein.
    Der Scharfrichter legte den Sperrhebel um, und pfeifend sauste das abgeschrägte Messer herab. Es durchtrennte Romain Rollands Hals und Genick glatt. Der Kopf fiel in den Korb.
    »Satan!« brüllte der Kopf aus dem Korb noch einmal.
    Dann war es vorbei. Der kopflose Rumpf wurde in eine halb mit Sägemehl gefüllte Bretterkiste geworfen. Der Scharfrichter nahm den Kopf des Hexers bei den Haaren und hielt ihn hoch. Es gab ein Geschrei und Getrampel, Gejohle und Geklatsche.
    Wildfremde Menschen umarmten sich. Hübsche Mädchen und Frauen schrien sich die Kehlen heiser, Kinder plärrten.
    »Rolland ist tot! Rolland ist tot!«
    »Der Hexer kann uns nichts mehr tun!«
    Das Volk war entfesselt: Nicole drängte sich an Zamorra, der totenbleich geworden war. Jetzt erst bemerkte es Nicole, fragte ihn besorgt.
    »Was hast du? Was ist?«
    »Das Amulett ließ es mich deutlich spüren«, sagte Zamorra. »Im Moment, in dem der Hexer starb, ist eine gewaltige Energie freigeworden. Stark genug, um die Barrieren zwischen dem Diesseits und dem Jenseits zu durchbrechen. Ich habe es gespürt, wie einen schlimmen Schock.«
    Zamorra starrte auf die Guillotine mit dem blutigen Fallbeil.
    »Ich weiß nicht, was Romain Rolland zuvor getrieben hat, ob er erwähnenswerte übernatürliche Kräfte oder Kenntnisse der Schwarzen Magie besaß oder nicht. Aber jetzt und hier hat alles seinen Anfang genommen, was wir im 20. Jahrhundert erleben mußten.«
    ***
    Die Zuschauer verliefen sich, gingen in die Kneipen und Schänken, um den Tod des Hexers zu begießen. Dort drängten sich die Menschen, Männer und auch Frauen. Der Leichnam des Hexers wurde mit dem Schindkarren aus der Stadt gebracht und irgendwo in ungeweihter Erde verscharrt.
    Eigentlich hatte Zamorra sich des Leichnams bemächtigen und diesen vernichten wollen. Aber jetzt wußte er, daß es keine Rolle mehr spielte. Die übernatürliche Kraft war entfesselt, der Geist des Romain Rolland ausgefahren.
    Das ließ sich nicht rückgängig machen.
    Zamorra suchte mit Nicole ein besseres Gasthaus auf, in dem sich viele Auswärtige aufhielten. Sie aßen ein wenig und tranken Anjou-Wein. Das Lokal war brechend voll; an Zamorras und Nicoles Tisch saßen fünfzehn Leute.
    Tabakdunst hing in Schwaden im Raum. Wegen der Hitze saßen die Männer in Hemdsärmeln zu Tisch oder standen in Gruppen beisammen. Die Frauen, die mit ihren Reifröcken eine Menge Platz brauchten, hatten die Schoßjäckchen abgelegt und die obersten Blusenknöpfe geöffnet.
    »Ich weiß nicht, was die Leute an diesen Hinrichtungen finden«, sagte eine stark

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