0072 - Ich war kein Fraß für Tiger
links!«
»Okay!«
Wir bewegten die Türklinken immer nur millimeterweise und bekamen die meisten Türen auch ohne jedes Geräusch auf, nur manchmal gab es ein leichtes Quietschen, wenn sich der Riegel bewegte.
Unsere Vorsicht war überflüssig. Die Wohnung war völlig leer. Mrs. Marry hatte offensichtlich in höchster Eile ein paar Wäschestücke für die Nacht aus einem Wäscheschrank gerissen und war damit zu ihrer Mutter gefahren.
Natürlich hatten wir in keinem Zimmer das Licht eingeschaltet. Unsere Taschenlampen mussten für uns genügen. Als wir uns am Ende des Flures wieder trafen, ohne Mrs. Marry irgendwo gesichtet zu haben, konnten wir uns etwas ungenierter benehmen.
»Wir gehen auf den gleichen Seiten wieder zurück«, sagte ich. »Es muss einigermaßen gründlich und trotzdem schnell gesucht werden. Gegen fünf wird es langsam hell. Zu dieser Zeit müssen wir wieder verschwinden. Wir haben also nur ungefähr drei Stunden.«
»Okay«, nickte Phil.
Im vierten Zimmer auf meiner Seite, es schien eine Art Arbeitszimmer des Hausherrn zu sein, fand ich hinter dem üblichen Ölgemälde einen Wandsafe. Da Phil sämtliche Schlüssel eingesteckt hatte, die wir bei den beiden Hails gefunden hatten, rief ich ihn herbei.
Wir fanden den passenden Schlüssel und bekamen den Safe ohne Schwierigkeiten auf. Er war in mehrere Fächer unterteilt. Im untersten lagen Geschäftspapiere, die uns nicht weiter interessierten. Darüber kamen drei dicke Bücher. Sie entpuppten sich als Fotoalben. Wir warfen nur einen kurzen Blick hinein, dann wussten wir schon, woran wir waren. Wir packten sie in die Aktentasche, die wir mitgebracht hatten. Noch ein Fach höher entdeckten wir vier Schmalfilmrollen. Sie kamen ebenfalls in die Aktentasche.
Sonst enthielt der Safe nichts, was uns hätte interessieren können. Ein paar Päckchen mit Aktien und Wertpapieren, sowie einige Banknotenbündel stellten anscheinend die private Vermögensreserve des Stewart Hail dar.
Wir verschlossen den Safe und hängten das Bild wieder davor. Gerade wollten wir uns dem Schreibtisch zuwenden, da hörten wir von der Wohnungstür her, wie jemand einen Schlüssel ins Schloss schob.
Wir brauchten uns nicht erst zu verständigen. Solche Situationen sind wir gewöhnt. Mit einem leisen Tritt schob ich die Aktentasche unter eine Couch, die mit einer bis auf den Boden herabhängenden Decke belegt war. Gleichzeitig verschwand Phil lautlos hinter einer schweren Brokatportiere, die den Durchgang zu einem Nebenzimmer verhängte.
Ich selbst brachte mich hinter einen hohen Armsessel in Deckung. Mit angehaltenem Atem lauschten wir.
Jetzt hatte der Schlüssel draußen den Riegel erfasst. Wir hörten, wie sich die Tür leise öffnete. Behutsame Schritte kamen hereingehuscht. Trotzdem wusste ich sofort, dass es eine Frau war, die sich Einlass verschafft hatte. Sie trug hohe Absätze, deren Geräusch unverkennbar ist.
Ohne einmal zu zögern, kamen die Schritte auf die Tür des Zimmers zu, in dem wir uns befanden. Wir hatten die Flurtür halb offenstehen lassen, und konnten deshalb die Schritte deutlich hören. Noch bevor sie die Tür erreicht hatte, klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch. Es klingelte laut und schrill. Immer wieder schrillte das grelle Geräusch auf. Der Anrufer hatte entschieden Ausdauer. Endlich gab er es auf.
***
Inzwischen hatte die Frau bereits das Zimmer betreten. Sie bewegte sich mit erstaunlicher Sicherheit. Wir konnten sie nur undeutlich als Schattenriss sehen, denn durch die langen Vorhänge vor den Fenstern kam das ohnehin schon schwache Mondlicht gedämpft ins Zimmer. Aber wenn mich nicht alles täuschte, musste es die Schauspielerin sein. Ihre Figur war wesentlich schlanker als die ihrer Schwägerin, und die Frau, die sich im Zimmer bewegte, war zweifellos schlank, soviel konnte man auch in der Dunkelheit erkennen.
Sie trat sofort an den Schreibtisch und riss die unverschlossenen Schubladen auf. Hastig wühlte sie in den Papieren, ließ achtlos einiges auf den Boden fallen und suchte offenbar etwas ganz Bestimmtes.
Plötzlich hörte man das entfernte Klirren einer Fensterscheibe. Die Frau verstummte augenblicklich. Ein paar Herzschläge lang war Totenstille. Und dann quietschte im Flur auf einmal eine Tür.
Ich fühlte, wie mir das Herz bis in den Hals hinein schlug. Wer kam jetzt noch? Leise Schritte tappten über den Flur, eigentlich war es mehr ein leichtes Schaben über den Läufer als das deutliche Geräusch von
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