0073 - Der Satansfjord
konnte losgehen.
Ich drehte gleich voll auf, jagte aus der Bucht hinaus und kniff die Augen zusammen, als ein scharfer Wind auflebte. Die Wellen gingen hoch, bereiteten unserem Boot jedoch keine Schwierigkeiten.
»Hätte gar nicht gedacht, daß es hier draußen so rau ist!« schrie Suko, und das Heulen des Windes, das Rauschen der Wellen und das Dröhnen des schweren Motors zu übertönen.
Ich gab keine Antwort, sondern schaltete dem Suchscheinwerfer ein. Im Moment brachte er noch nicht viel, da unser Boot tanzte und schlingerte und der Strahl mal in den Himmel hinauf leuchtete, mal unmittelbar vor dem Bug in ein Wellental stach. Ich wollte aber schon meine Augen an die Helligkeit gewöhnen, damit ich nicht wieder so geblendet wurde wie vorhin im Lager.
»Mit Mister Rentier-Joe würde ich gern ein paar Worte wechseln!« rief Suko und stellte sich neben mich. »Der Mann könnte uns bestimmt Tips geben.«
»Wenn nicht sogar mehr.« Ich deutete über meine Schultern. »Achte darauf, daß sie uns nicht den Rückweg abschneiden!«
»Wer?« fragte er erstaunt.
»Die Rentiere.« Ich starrte gespannt nach vorn, ob ich an der Wellenform Untiefen erkennen konnte. »Ich glaube, diese netten Tierchen sind den Booten vor uns zum Verhängnis geworden.«
»Alles klar, John!« meldete Suko.
Wir verfielen in Schweigen. Ich hing meinen Gedanken nach und versuchte, hinter allem einen Sinn zu sehen. Es gelang nicht, denn noch wußte ich zu wenig.
»Sag mal, fühlst du das auch?« meldete sich Suko nach einer ganzen Weile.
Ich schreckte zusammen, weil ich erst jetzt merkte, daß ich mich zu sehr aufs Kombinieren verlegt hatte.
»Was?« fragte ich verwirrt.
»Als ob mich Tausende von Augen anstarren würden.« Mein Freund schlug die Arme um seinen Körper, als friere er. »Unheimlich ist das! Ich fühle mich richtig beobachtet.«
Ich lauschte in mich hinein. Das hatte nichts mit Telepathie oder medialen Fähigkeiten zu tun. Bestimmt ist es schon jedem einmal so ergangen, daß er sich plötzlich beobachtet fühlte und erst danach merkte, daß ihn jemand intensiv anstarrte.
»Du hast recht«, sagte ich nach einiger Zeit. Unser Boot pflügte unbeirrt die rauhe See. »Aber es ist niemand in unserer Nähe.«
Vorsichtshalber griff ich nach meinem Silberkreuz. Falls wir hier draußen angegriffen wurden, hatten wir einen schweren Stand. Ich brauchte beide Hände, um das schwere Boot zu steuern und immer so gegen die Wellen zu halten, daß wir nicht kenterten. Der Sturm und die peitschende Gischt auf den Wellenkämmen behinderten die Sicht.
»John!«
Sukos Schrei erstickte. Erschrocken fuhr ich herum.
Meinen Partner brachte nichts so leicht aus der Fassung. Jetzt war es geschehen. Mit weit aufgerissenem Mund starrte Suko zur Küste hinüber, die ungefähr eine halbe Meile von uns entfernt war. Und dann traf es auch mich.
So weit ich sehen konnte, waren die Felsen und Berghänge übersät mit funkelnden Augenpaaren – Tausende und Abertausenden!
»Das darf doch nicht wahr sein!« rief ich aus und nahm das Gas weg. Gleich darauf bereute ich es, weil sich das Boot nicht mehr steuern ließ und von einer besonders hohen Welle seitlich gedreht wurde. Die nächste Welle schöpften wir voll und waren sofort bis auf die Haut durchnässt.
Ich ließ die Motoren aufbrüllen und brachte das Boot wieder auf Kurs. Obwohl ich keinen trockenen Faden mehr am Leib hatte, fühlte ich die Kälte nicht. Unverwandt starrte ich zur Küste.
»Was ist das?« rief Suko. »Dämonen?«
Es waren große Augen, grünlich schimmernd. Sie erinnerten mich an die Leuchtziffern von Armbanduhren. Jeweils zwei standen dicht beisammen. Nur daran erkannte ich, daß es die Augen von Lebewesen sein mußten. Ansonsten bildeten die Felsmassive und die sanften Abhänge eine einförmige, dunkle Masse.
»Ich weiß nicht, was da drüben los ist«, rief ich meinem Partner zu. »Sehen wir es uns aus der Nähe an?«
»Aber immer!« antwortete Suko.
Angst kannte er nicht!
Ich änderte den Kurs. Es war nicht nötig, daß ich parallel zu den Wellen fuhr, da diese unheimlichen Augen bis ans Ende unseres Blickfeldes reichten. Ich konnte in einem schrägen Winkel auf die Küste zulaufen. Dadurch verhielt sich unser Boot wesentlich ruhiger.
»Lieber Himmel, John!« stöhnte Suko. »Ich kann es gar nicht glauben!«
»Mir geht es genauso«, sagte ich, aber das war nur ein schwacher Trost.
Die Lebewesen bevölkerten die Küste.
»Das Leuchten der Augen ist dämonischen
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