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0073 - Der Satansfjord

0073 - Der Satansfjord

Titel: 0073 - Der Satansfjord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wunderer
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einer sanften Berührung am Arm oder an der Schulter, sondern von einem harten Ruck. Schlaftrunken setzte sie sich auf. Die übrigen Passagiere wußten offenbar auch nicht, was geschehen war, denn im bläulichen Schein der Nachtbeleuchtung sah Jane verwirrte und übermüdete Gesichter.
    »Alles okay!« rief der Reiseleiter über die Lautsprecheranlage. »Kleines Verkehrsproblem, wie es eben in einem solchen Land vorkommt.« Er lachte über seinen eigenen Witz – als einziger. »Rentiere! Die Straße ist blockiert! Keine Sorge, wir können bald wieder weiterfahren!«
    Das stellte sich als verhängnisvoller Irrtum heraus.
    Jane beugte sich zu einem der Fenster und riß die Augen auf. Schlagartig war die Müdigkeit verflogen.
    Sie hatte schon Rentierherden gesehen, nicht aber dieses unübersehbare Wogen von Tierleibern. So weit das Auge reichte, sah sie ein Rentier neben dem anderen.
    Die Touristen hatten ihren Spaß daran. Keiner schlief mehr. Alle drängten sich an den Fenstern und starrten nach draußen. Dabei machten sie witzige Bemerkungen über den Wildbraten, der da vor ihren Nasen herumlief.
    Jane fand die Lage gar nicht witzig. Sie ahnte, daß etwas nicht stimmte. Ein Blick nach vorne zu dem englischen Reiseleiter und dem norwegischen Fahrer bestätigte ihre Befürchtungen. Die beiden Männer machten ernste Gesichter und unterhielten sich hektisch, aber sehr leise miteinander.
    Jane stand auf und schlängelte sich durch den Mittelgang nach vorne. Sie hatte auf der hintersten Sitzbank geschlafen. Jetzt mußte sie sich zwischen den Touristen durchdrängen, aber sie kam gar nicht mehr bis ganz nach vorne.
    Auf halbem Weg erhielt sie einen fürchterlichen Stoß. Der Autobus hob sich von der Straße und knallte auf den Asphalt zurück. Nicht nur Jane stürzte, sondern auch die Touristen verloren den Halt.
    Sekundenlang blieb es totenstill, dann schrien die Leute aufgeregt durcheinander.
    Jane stockte das Blut in den Adern!
    Von allen Seiten trommelten schwere Schläge gegen den Bus. Es hörte sich an, als würden wilde Horden mit Äxten das Fahrzeug demolieren.
    Dicht neben Jane schrie eine Frau gellend auf. Jane zuckte herum. Entsetzt sah sie das Loch in der Bordwand. Ein stumpfer rotbrauner Stiel ragte in den Bus herein.
    Das Ende eines Geweihs! Ehe Jane richtig begriff, was hier vor sich ging, riß das Geweih die Wand des Busses wie ein Dosenöffner auf. Das dicke Blech bog sich kreischend nach außen. Der Kopf des Rentiers wurde sichtbar.
    Die Privatdetektivin schauderte bei dem Anblick der wild funkelnden Augen. Das vermeintliche Tier starrte die Menschen so hasserfüllt an, als wisse es ganz genau, was es tat.
    In dem Bus brach eine Panik aus. Unter wuchtigen Tritten der Hufe barsten sämtliche Fensterscheiben. Die Splitter regneten auf die entsetzten Menschen. Ein älterer Mann wurde von einem Huf am Kopf getroffen. Er brach lautlos zusammen.
    Jane wollte ihm zu Hilfe kommen, doch ehe sie den Gestürzten erreichte, erhielt der Bus einen neuerlichen schweren Treffer. Er flog um eine halbe Wagenlänge nach vorne und neigte sich auf die Seite. Die Nachtbeleuchtung erlosch.
    Der Bus landete zwar wieder auf allen vier Rädern, doch er war nur mehr ein Wrack. Beide Achsen waren gebrochen. Die Räder standen in einem stumpfen Winkel zum Wagen. Durch die zerbrochenen Scheiben reckten die Rentiere die Geweihe in das Wageninnere, verletzten aber niemanden. Jane wurde die Absicht der Tiere klar. Sie wollten die Menschen ins Freie treiben.
    Die Absicht der Tiere! Sie setzte schon voraus, daß die Rentiere nach einem bestimmten Plan vorgingen!
    Es konnte gar nicht anders sein, so widersinnig das Jane auch erschien.
    Die Touristen flüchteten ins Freie und fanden sich zwischen den Tieren eingekeilt. Nur eine schmale Gasse blieb offen, ein Weg, der in die Dunkelheit und Ungewissheit führte.
    Jane blieb ebenfalls nichts anderes übrig, als den Rentieren nachzugeben. Doch als sie nach vorn kam, stockte sie noch einmal. Der Fahrer hing über dem Lenkrad und rührte sich nicht. Seine Augen waren auf Jane gerichtet, ohne sie zu sehen. Der Tod hatte sie gebrochen.
    Schaudernd wandte sich die Privatdetektivin ab, als sie das Geweih entdeckte. Dieser Mann war auf die gleiche Weise gestorben wie der Fischer Hester Vine, dessen Leiche in London Amok gelaufen war. Das Geweih hatte seine Brust durchbohrt.
    Jane erhielt von hinten einen Stoß, der sie durch die offene Wagentür schleuderte. In ihrem Rücken hörte sie das wilde

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