0073 - Die Insel der Zyklopen
ist!«
»Dann verstehe ich nicht, warum er die Kuh getötet und uns so auf sich aufmerksam gemacht hat?« warf Bill fragend ein.
»Nun, da bin ich mir auch nicht ganz sicher, führe das aber auf seine unbändige Mordlust zurück. Als er das Tier sah, konnte er einfach nicht widerstehen.«
»Möglich! Er wird es wieder bei Dunkelheit versuchen!« folgerte der Historiker aus drei Worten Zamorras.
»Ja, morgen nacht, Bill, ganz sicher!«
Das Gespräch verstummte für eine Weile. Jeder der beiden Männer hing seinen eigenen Gedanken nach, während sie sich daranmachten, den Hügel zu erklimmen.
»Hoffentlich schwimmt er nicht auf die bewohnte Insel, wo sich die Familie aufhält!« sagte er schließlich, um die Stille zu brechen.
»Daran habe ich auch gerade gedacht, Bill!« Zamorra wischte sich eine schweißnasse Haarsträhne aus der Stirn. Plötzlich machte sich wieder diese lähmende Müdigkeit in seinen Gliedern breit. Er freute sich auf das Bett, das in der Hütte auf ihn wartete.
»Wir können nur hoffen, daß er seine Mordgier für heute gestillt hat. Außerdem nehme ich an, daß er sich bis morgen nacht in der Nähe aufhalten wird. Die bewohnte Insel ist ziemlich weit weg, aber man kann ja nie wissen«, setzte Zamorra dann hinzu.
»Im übrigen«, Fleming legte die Stirn in Falten, »glaubst du die Geschichte des alten Fischers von Polyphemus und so? Ich weiß nicht, da habe ich Bedenken!«
»Also bis vor wenigen Minuten wußte ich auch nicht so recht, ob Nicolas nicht Seemannsgarn spinnt, obwohl er nicht den Eindruck macht, aber seit ich die Reaktion des Zentaurs auf den Namen ›Polyphemus‹ mit eigenen Augen gesehen habe, bin ich sogar ziemlich sicher, daß es nur mit seiner Hilfe gelingt, das verfluchte Wesen zu erlösen!«
Bill ließ sich die Worte seines Freundes durch den Kopf gehen, ehe er eine neue Frage stellte: »Das, was wir sehen, ist doch der Parakörper des Zentaurs, oder nicht?«
»Ja, Bill, so kann man es nennen. Ich bin der Meinung, daß sich der Pseudokörper, jener zweite Körper des Pferdemenschen, der aus reinem Geist besteht, bei dessen Tod nicht von seinem physischen Körper lösen konnte und durch den Fluch bis zu jenem Tag gebannt blieb, als das Erdbeben auftrat. Die Verwünschung hat wahrscheinlich bewirkt, daß der Geist den Stein nicht durchdringen konnte.«
»Das ist ja höchst interessant! Wenn ich mehr Zeit zur Verfügung hätte, würde ich auch noch zum Doktor der Parapsychologie promovieren!« grinste Bill.
»Wir haben den ganzen morgigen Tag Zeit, um etwas gegen Rakis zu unternehmen, Bill!«
»Ja, aber was? Gut, wir fahren zu der geheimnisvollen Insel der Zyklopen. Angenommen, der Alte weiß wirklich wo sie liegt, und wir finden sie, was dann? Willst du etwa den Zyklop erwecken?«
»Ich will es dir etwas genauer sagen, Bill. Ich kann nicht Polyphemus selbst erwecken, sondern nur seinen Parakörper beschwören, der dann gleichrangig mit Rakis’ Erscheinung ist!«
»Und wie willst du den Zyklop wieder loswerden?« stellte Bill eine bange Frage.
»Kommt Zeit, kommt Rat, Bill. Wie ich heute schon sagte, man soll nichts überstürzen!«
»Warum weichst du meiner Frage aus?«
Die beiden Männer hatten den Hügelkamm erreicht. Nicole, die ihnen rufend entgegenrannte, erlöste Zamorra einstweilen von Bills Fragerei. Zamorra war heilfroh, seine Unsicherheit in diesem Punkt nicht zugeben zu müssen.
Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er Angst vor dem nächsten Tag hatte.
***
Es ging bereits auf Mitternacht zu, als das Stimmengemurmel in Golas’ Hütte endlich verstummte und auch das Licht gelöscht wurde.
Bill Fleming hielt vor dem Haus Wache, obwohl er selbst hundemüde war. Die beiden Männer waren nicht umhin gekommen, ihr Erlebnis mit dem Zentaur ganz genau zu berichten. Golas hatte es dann noch dem Fischer und seiner Frau übersetzen müssen, die eilig ihr Hab und Gut, das sie bereits auf dem Boot zur Flucht verstaut hatten, wieder in die Hütte zurückschafften.
Professor Zamorra, den noch immer Hunderte Fragen gleichzeitig quälten, versuchte einfach abzuschalten, um endlich den verdienten Schlaf zum Zuge kommen zu lassen, aber das Gehirn sandte immer wieder Reizimpulse aus!
Regungslos lauschte Zamorra in die Nacht. In der Hütte war es totenstill. Auch draußen regte sich nichts. Nur manchmal vermeinte er die Schritte seines Freundes zu vernehmen, der Wache hielt.
Es dauerte noch einige Zeit, bis der Schlaf das ungleiche Duell mit den lästigen Fragen
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