0074 - Söldner des Teufels
Washington hatten. Üblicherweise war Kalifornien das Mekka von pseudoreligiösen Sekten und sonstigen Vereinigungen von Wirrköpfen und Fanatikern, die irgendwie auf der falschen Wellenlänge tickten. Washington war mehr für andere Absurditäten bekannt.
Bill beabsichtigte, wenn es sich einrichten ließ, noch am selben Abend nach New York zurückzukehren. Er verzichtete deshalb darauf, sich ein Hotel zu suchen, nahm sich am Flughafen einen Leihwagen bei Hertz und fuhr unverzüglich nach Arlington Heights, wo die Sekte ihr Welt-Hauptquartier hatte.
Dieses entpuppte sich als durchaus imponierend. Es war ein modernes Hochhaus mit zahlreichen Geschossen. Die Fassade bestand aus weißem Marmor, unterbrochen von großzügigen Fensterflächen. Über dem aufwendigen Goldglasportal prangte in großen Leuchtbuchstaben der Name des Gebäudes: TEMPLE OF LIGHT.
Bill fand die Bezeichnung Tempel ziemlich idiotisch. Für ihn war das ein reines Verwaltungsgebäude. Und höchstwahrscheinlich beschäftigte man sich hier auch weitgehend mit Verwaltung. Mit der Verwaltung vom großen Geld, das diese so in Mode gekommenen Sekten ja in rauhen Mengen scheffelten.
Auch als er die breit ausladende Treppenstufen zum Eingang hinaufschritt und die Empfangshalle betrat, empfand er die Ähnlichkeit mit einem x-beliebigen Versicherungspalast oder dem Repräsentationsbau einer großen Industriefirma als sehr groß. Nur daß die meisten Menschen, die die Halle bevölkerten, nicht in einem unauffälligen, seriösen Business-Anzug steckten, sondern sich in karnevalistisch anmutende weiße Umhänge gehüllt hatten. Außerdem wurde Bill den Eindruck nicht los, daß ein gut Teil der Anwesenden eine ganz bestimmte Funktion zu erfüllen hatten: Eine Wächter- oder Schutzmannfunktion nämlich.
Kaum hatte Bill Fuß in der Halle gefaßt, als auch schon zwei der Umhangträger auf ihn zukamen. Die Gesichter der Männer gefielen ihm nicht. Sie wirkten hart, beinahe brutal. Die Augen blickten kalt.
So etwa stellte man sich die Gesichter von berufsmäßigen Schlägern oder Gangstern vor, nicht aber die von religiösen Eiferern, die sich dem Geistigen verschrieben hatten.
»Was führt Sie in den Tempel des Lichts?« sprach ihn einer der beiden an.
Bill war um eine Antwort nicht verlegen, denn er hatte sich selbstverständlich vorher eine Story zurechtgelegt.
»Mein Name ist Bill Fleming«, sagte er. »Ich bin Kulturhistoriker und schreibe zur Zeit ein Buch. Titel: Moderne Sekten in Amerika. Ganz klar, daß mich in diesem Zusammenhang eine so einflußreiche Bewegung wie die Kinder des Lichts besonders interessiert. Und deshalb bin ich gekommen…«
Derjenige, der ihn angeredet hatte, unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Bill war schon auf einen höflichen aber bestimmten Hinauswurf gefaßt, sah sich in dieser Erwartung jedoch angenehm getäuscht.
»Wenn Sie mir bitte folgen würden, Mister…«
Der Mann und sein Genosse gingen voran und geleiteten Bill quer durch die Halle. Vor einer Tür blieben sie stehen, öffneten diese und forderten ihn auf, einzutreten.
Es war ein ganz normales Besucherzimmer. Mehrere Sessel, Tisch, Kleiderständer.
Wie gehabt, dachte Bill. Versicherungsgesellschaft oder Industrieunternehmen.
»Wenn Sie bitte ein paar Minuten warten würden…«
Die beiden Männer schlossen die Tür hinter sich und ließen ihn allein.
Bill setzte sich in einen der Sessel. Er ahnte schon, was jetzt kommen würde. Sekten waren zu beliebten Objekten der Massenmedien geworden. Besonders solche, die wie die Kinder des Lichts einen ausgesprochen schlechten Ruf in der breiten Öffentlichkeit genossen. Skandalgeschichten oder gar Ärgeres waren sehr beliebt beim Publikum. Mit Sicherheit war schon so mancher Reporter oder Journalist in diesem Tempel des Lichts aufgetaucht, um sich Informationsmaterial aus erster Hand zu beschaffen. Die Sekte wäre töricht gewesen, sich hierauf nicht einzustellen. Und töricht waren die Leute ganz sicher nicht. Dieser aufwendige Bau und die Existenz einer weltumspannenden Organisation waren ein eindeutiger Beweis für die Cleverness dieser Lichtkinder und ihrer Hintermänner.
Höchstwahrscheinlich würde gleich ein alerter Public Relation-Spezialist zu ihm kommen, ihn mit einem Wust von Sprüchen und Parolen konfrontieren und ihm einen Packen gleichzeitig viel und nichts versprechender Broschüren und Schriften zustecken. Was wirklich hier gespielt wurde, was es zum Beispiel mit den von Zamorra beschriebenen
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