0074 - Söldner des Teufels
das?
War sein Körper zu einer leeren Hülle geworden – zu einem…
Zombie, mit dem sein Ich nichts mehr zu tun hatte?
War das der Tod?
Würde sein Geist nun bis in alle Ewigkeit im Nichts schweben?
Körperlos, zeitlos…
Nein!
Ganz plötzlich, nach einer Zeitspanne, die einen Sekundenbruchteil oder eine Million Jahre gedauert haben mochte, verlor das Nichts seine totale Substanzlosigkeit.
Bill fühlte wieder, sah, hörte, roch, spürte wieder.
Aber was waren das für Empfindungen, die da wie Sturzbäche auf ihn einströmten?
Wahnsinn, Chaos…
Er sah eine irrwitzige Landschaft. Eine flache Ebene, ohne Horizont, ohne Ende. Feuerteppiche in Farben, die das Spektrum zum Teil gar nicht kannte, rasten über diese Ebene. Bizarr geformte Bauwerke, die ständig ihre Form veränderten, tauchten aus den Feuertürmen auf, gingen wieder unter, erschienen erneut. Pyramiden wandelten sich zu Kugeln, breitflächige, gewaltige Quader zu pfeilspitzen Türmen.
Er hörte Töne, die in dieser Konzentration noch nie an sein Ohr gedrungen waren. Eine unglaubliche Lärmorgie tobte – Pfeifen, Brausen, Zischen, Donnern, Heulen…
Er roch Dinge, die jeden gesunden Menschen sofort veranlaßt hätten, sich vor tief empfundenen Ekel zu schütteln.
Er spürte… Schmerzen. Ungeheure Schmerzen, die normalerweise eine sofortige Ohnmacht heraufbeschworen hätten. Ihm war, als würde sein Körper gleichzeitig von tausend Messern geritzt, mit Lederriemen gepeitscht, von Säure zerfressen, mit siedendem Öl übergossen.
Alle diese Eindrücke waren wie Keulenschläge, die auf sein Bewußtsein einhämmerten.
Den schwersten Schlag bekam er jedoch, als er sich seines Körpers bewußt wurde.
Bill Fleming – hochgewachsener, breitschultriger junger Mann mit blonden Haaren und leidlich angenehmem Gesicht?
Nein!
Er war ein Ungeheuer, ein häßliches, widerwärtiges, verabscheuungswürdiges Ungeheuer.
Er war ein wuchtig gebautes Affenwesen mit schuppiger Haut, die über und über mit einer grünlich glänzenden Schleimschicht überzogen war.
Noch war er dabei, den furchtbaren Schock zu überwinden, als er in seinem Rücken eine tiefe Baßstimme vernahm, die ihn in akzentfreiem Englisch anredete.
»Willkommen… Sklave!«
Bill fuhr herum.
Vor einer Konstruktion, die ihm wie ein riesiger schwabbelnder Schokoladenpudding vorkam, stand eine Gestalt.
Ein Dämon. Jener Dämon mit der Wolfsmenschenfratze aus dem Tempel der Weißgewandeten in Washington D. C.
»Willkommen im Reich des Herrn der Tausend Feuer!«
***
Professor Zamorra und Nicole Duval saßen im Grill Room des Washingtoner Sheraton Hotels und speisten zu Abend.
Das Essen, Tournedos Rossini, war ausgezeichnet. Dennoch wollte es ihnen nicht so richtig schmecken. Daran trugen zweifellos eine gewisse körperliche Erschöpfung und die Müdigkeit die Mitschuld.
Der lange Flug von Paris nach New York, der dortige Aufenthalt, der Weiterflug nach Washington, der Anfang ihrer Ermittlungstätigkeit in Sachen Kinder des Lichts. Dazu kam dann noch der Umstand, daß sie auch in der vergangenen Nacht nicht allzu viel Schlaf mitbekommen hatten. Und schließlich auch noch die Umstellung von der mitteleuropäischen auf die amerikanische Ostzeit.
Mehr jedoch als das rein körperliche Befinden hemmte ihre gemütsmäßige Verfassung den Appetit.
Selten in seinem Leben war sich der Professor so hilflos vorgekommen wie jetzt.
Mit ohnmächtigem Zorn erinnerte er sich an seinen nachmittäglichen Besuch in Hauptquartier der unglücksseligen Sekte.
Er hatte den Bau ganz offiziell betreten, als angeblicher Journalist, der einen großen Bericht über die Kinder des Lichts verfassen wollte. Und er war sofort gescheitert. Sie hatten ihm auf den Kopf zugesagt, daß das mit dem Journalisten ja wohl nicht ganz stimmen würde, da er in Wirklichkeit doch der bekannte und berühmte Professor Zamorra sei. Sie hatten sich, mit blankem Hohn in Stimme und Auge, lobend über seine wissenschaftlichen Werke geäußert und großes Verständnis dafür gezeigt, daß er sich aus beruflichen Gründen für das Phänomen der Unverwundbarkeit interessierte.
»Aber Verständnis hin, Verständnis her«, hatte der Sprecher der Sekte zu ihm gesagt. »Sehr geehrter, hochgeschätzter Herr Professor, Sie werden sicherlich auch unsere Einstellung verstehen. Die Kinder des Lichts haben sich dem rein Geistigen, dem Religiösen verschrieben. Und dem kann man natürlich nicht mit wissenschaftlichen Methoden zu Leibe rücken.
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