0076 - Bills Hinrichtung
Sinistro nicht zugeben.
»Du hast ihn gar nicht gefangen«, sagte ich leichthin. »Oder wenn doch, dann ist er dir sicherlich entkommen.«
»Nein!« heulte Sinistro. »Er befindet sich in meiner Gewalt!«
»Hol ihn doch her!« erwiderte ich. »Wenn er vor mir steht, bekommst du deinen Schädel!«
Sinistro zögerte mit der Antwort. Für einige Sekunden wuchs die Spannung ins Unerträgliche. Dann sagte der Magier: »Gut, Sinclair, ich werde deinen Freund herholen…«
Auf einmal geschah etwas, womit keiner von uns gerechnet hatte. Die Scheibe des mittleren Kastens, in dem der Kopf mit den schwarzen Haaren stand, zersplitterte. Die Scherben regneten zu Boden, der Kopf in dem Kasten bewegte sich, bekam das Übergewicht und fiel nach vorn.
Mit einem dumpfen Laut klatschte er auf.
Alle Blicke richteten sich auf den Schädel. Auch das Oval des Magiers bewegte sich in diese Richtung.
Sinistro stieß einen gellenden Schrei aus.
Auch Suko und mir war das nicht geheuer, was sich vor unseren Augen abspielte. Der Schädel trocknete aus.
Er lag auf dem Boden, die Haut wurde grau und fahl, die Augen brachen, und der Kopf schrumpfte immer mehr zusammen. Er wurde zu einem Schrumpfschädel. Die Lippen spannten sich, Haut riß, und die Haare fielen aus.
»Tot!« keuchte der Magier, »er ist tot!«
Mir war klar, daß er damit nicht Bill Conolly meinte. Aber ich wollte den Reporter bei mir haben.
Und zwar gesund…
»Hol ihn!« brüllte ich Sinistro an.
Da sprang Sinistro vor.
Ich zog meine Beretta, doch der Magier wollte nicht uns angreifen, sein Ziel war der Pfahl.
Er umklammerte ihn, schrie eine magische Beschwörung, und im nächsten Augenblick strahlte der Totenschädel auf der Spitze des Pfahls hell auf.
Dann explodierte die Welt für uns in einer flammenden, grellen Lichtkaskade…
***
Für einen winzigen Augenblick hatte ich das Gefühl, Mittelpunkt eines Weltuntergangs zu sein, dann aber war ich wieder voll da. Die Lichtkaskaden, die uns eingehüllt hatten, verschwanden von einem Augenblick zum anderen. Der kalte Hauch aus einer jenseitigen, gefährlichen Welt streifte nicht mehr mein Gesicht, und um uns herum war wieder alles normal.
Ich hatte unwillkürlich die Augen geschlossen.
Jetzt öffnete ich sie wieder.
Alles war wie vorher.
Nein, doch nicht.
Etwas hatte sich verändert.
Bill Conolly war zurückgekehrt. Aus einer anderen Dimension.
Ich wollte schon aufatmen, doch da packte mich die Panik.
Bill war nicht allein.
Einer der Henker hatte ihn aus der Dimension des Schreckens begleitet. Und er stand über ihm.
Mit seiner Axt!
Ich schloß für Sekunden die Augen, weil ich das schreckliche Bild nicht sehen wollte. Suko, der dicht neben mir stand, stieß scharf die Luft aus.
Bills Kopf lag in der Mulde des Richtklotzes. Und sein Henker stand ebenfalls schon bereit. Ich nahm an, daß es derjenige war, zu dem der letzte Kopf gehörte. Dieser kahle Schädel, der noch in dem Kasten stand.
Bill rührte sich nicht. Ich schätzte, daß er bewußtlos war. Seine Arme hingen links und rechts des Richtklotzes nach unten. Die Hände waren nach innen verdreht und berührten den kalten Steinboden des unheimlichen Gewölbes.
Sinistro aber fühlte sich wie der große Sieger. »Da hast du deinen Freund, John Sinclair! Zufrieden?«
»Nein! Ich frage mich, was dieser Henker noch bei ihm soll?«
Sinistro lachte. »Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Ich traue euch nämlich nicht.«
»Wieso? Wir haben deinen Kopf!«
»Noch habe ich ihn nicht gesehen.«
»Glaubst du mir nicht?«
Sinistro hob die Schultern.
Verständlich, daß er mehr als mißtrauisch war. Ich betete nur, daß er auf meinen Bluff hereinfiel und daß Bill nichts geschah. Es war ein grauenhaftes Bild.
Der Henker mit der dunkelroten Kapuze stand breitbeinig über meinem Freund. Die Axt hielt er mit beiden Fäusten umklammert. Es waren kräftige Hände, bei denen die Knöchel hart und spitz hervortraten. Er stand dort wie eine Statue, aber ich war sicher, daß er auf einen Befehl hin sofort reagieren würde.
Ein Schlag mit der Axt und…
Nein, alles durfte geschehen, nur das nicht.
Ich ging einen Schritt vor, der mich näher an diesen verdammten Pfahl brachte und somit auch näher an Bill Conolly.
Suko blieb, wo er war. Mit beiden Händen hielt er seinen Karton. Zwei der vier Klappen waren geöffnet. Sie zeigten zur Seite.
»Gib mir den Kopf!« forderte Sinistro.
»Nein!« Ich deutete auf Bill und den Henker. »Schick erst deinen Leibwächter
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