0076 - Bills Hinrichtung
fort!«
Darauf ließ sich Sinistro nicht ein. »Er wird gehen, doch nur, wenn ich meinen Kopf in der Hand halte.«
Wir führten einen makabren Dialog, und es war ein reines Nervenspiel, das wir trieben.
Wer bluffte am besten?
Dann durfte ich auch den Spuk nicht vergessen. Er lag links von mir. Auf seinem Körper glitzterte mein silbernes Kreuz. Es hatte den Spuk gebannt. Vergeblich versuchte er sich zu befreien. Er schaffte es nicht, den silbernen Talisman wegzustoßen.
Für mich war das sowieso ein Phänomen, das ich nicht begriff. Der Spuk – eigentlich gestaltlos – konnte sich nicht aus der weißmagischen Kraft befreien. Und in meinem Gehirn zuckte für einen Moment der Gedanke auf, ob ich den Spuk nicht jetzt erledigen konnte. Zusammen mit Sinistro.
»Ich warte nich länger!« Die Stimme des Magiers unterbrach meine Gedanken.
Konnte ich es riskieren? Konnte ich ihm den Schädel überreichen, auch wenn Bill weiterhin so liegenblieb?
Ich schaute Suko an.
Der Chinese nickte unmerklich. Auch ihm war klar geworden, daß wir unsere Karten ausgereizt hatten. In den nächsten Minuten kam es darauf an, wer schneller war.
»Okay«, erwiderte ich. »Gib ihm seinen Schädel zurück, Suko!«
Nun war es heraus. Es gab kein Zurück mehr. Die nächsten Minuten würden alles entscheiden.
Die Spannung wuchs.
Der Spuk versuchte sich zu artikulieren. Doch er bekam keinen anständigen Satz heraus. Er lallte irgend etwas, trotzdem wurde Sinistro aufmerksam. Er merkte, daß etwas faul war.
»Nimm das Kreuz weg!« forderte er.
Suko hatte inzwischen die beiden anderen Hälften des Kartons angehoben. Mit einem Handzeichen forderte ich ihn auf, zu stoppen.
»Das Kreuz bleibt!« sagte ich.
Das flimmernde Oval schaute mich an. Sinistro überlegte. Er schien einzusehen, daß ich zu keinem weiteren Kompromiß mehr bereit war. Er war auch nicht auf meine Forderung wegen Bill Conolly eingegangen. Außerdem war er mehr als gierig. Über dreihundert Jahre hatte er auf seinen Schädel gewartet.
Jetzt wollte er ihn haben!
»Es ist gut«, sagte er.
Ich atmete auf. Das war verflixt knapp gewesen.
Suko stellte den Karton ab. Er brauchte beide Hände, um den Kopf hervorzuholen.
Ich schaute gebannt zu.
Auch Sinistro hatte sein flimmerndes Gesicht so gedreht, daß er mitsehen konnte.
Suko machte es spannend. Er tauchte beide Hände in den Karton und umklammerte den Schädel.
»Hol ihn raus!« keuchte Sinistro. »Mach schon!« Er konnte es kaum erwarten.
Suko behielt die Nerven. »Langsam, langsam«, sagte er. »Ich hasse es, wenn man mich treibt!«
»Willst du den Reporter in den Tod schicken?« kreischte Sinistro.
Ich schaute den Magier an. »Untersteh dich!« zischte ich.
Dann hob Suko den Kopf hervor. Er hielt ihn so behutsam umfaßt, als hätte er Angst, ihn zerbrechen zu können. Suko war die Ruhe selbst. Seine Finger zitterten nicht. Er hatte sich ungeheuer in der Gewalt.
Schließlich hielt er den Kopf hoch.
Sekunden vertickten.
Wir starrten auf den Schädel. Gebannt und lauernd zugleich. Würde der Bluff klappen?
Ein unartikulierter Laut drang aus dem flimmernden Oval. Es war eine Mischung zwischen Keuchen, Stöhnen und einem Triumphschrei.
Ich riskierte es. »Ist er das, oder ist er das nicht?«
»Ja!« schrie der Magier. »Er ist es, es ist mein Schädel!«
Bisher zeigte die Rückfront nur auf ihn. Jetzt drehte Suko ihn langsam herum und präsentierte Sinistro sein eigenes Gesicht.
Der Magier streckte seine Hände aus. Es kam mir vor wie eine flehende Geste. »Gib ihn her. Los, gib ihn!«
»Moment noch!« Ich hob den Arm. »Was ist mit Bill Conolly?«
»Erst den Schädel!«
Die Situation spitzte sich wieder zu. Spätestens wenn sich Sinistro seinen Kopf näher anschaute, dann mußte er erkennen, daß wir ihn geblufft hatten.
Trotzdem – mir blieb keine andere Wahl. Ich nickte dem Chinesen zu. »Reich ihn rüber!«
Suko schritt vor.
Auch Sinistro bewegte sich.
Die beiden ungleichen Personen gingen aufeinander zu. Ich hatte nur Augen für Suko und Sinistro, auf den Spuk achtete in diesen Augenblicken niemand.
Er kämpfte noch verzweifelt gegen die weißmagische Kraft des Silbers an. Und er schaffte es, sich von dem Amulett zu lösen. Ich hörte ein puffendes Geräusch, und im nächsten Augenblick wischte ein Schatten durch den Keller.
Das geschah in dem Moment, als Sinistro nach seinem Schädel griff. Mit beiden Händen faßte er zu, umklammerte den Kopf, riß ihn von Suko weg und drückte ihn an
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