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0079 - Der Tyrann von Venedig

0079 - Der Tyrann von Venedig

Titel: 0079 - Der Tyrann von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wunderer
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gemeinsame Erlebnisse mit Paolo. Dann wieder dachte sie an die Zukunft, sie allein mit den beiden Kindern! Zwischendurch erschien ein grauenhaftes Bild in ihrer Vorstellung. Sie hatte es nicht selbst gesehen, aber Kollegen ihres Mannes hatten ihr geschildert, wie seine Leiche im Canal Grande getrieben war.
    Das Gesicht auf den Rücken gedreht!
    Francesca Sina preßte die Hände gegen den Mund, um nicht laut aufzuschreien!
    Morgen mußte sie Paolos Eltern verständigen. Sie hatte heute nicht die Kraft dazu gefunden. Seit ihr die Kollegen die Nachricht von Paolos Ermordung gebracht hatten, war sie wie gelähmt gewesen. Sie hatte alle fortgeschickt. Nur die alte Signora Bertolli von nebenan war bei ihr geblieben und hatte die Kinder versorgt. Nun saß sie drüben im Wohnzimmer.
    Einundzwanzig war sie jetzt, dachte Francesca Sina verzweifelt. Einundzwanzig Jahre und schon war alles zu Ende!
    Sie kannte den Schuldigen, das heißt, sie hatte von ihm gehört! Jeder sprach in Venedig von dem Schwarzen Dogen. Die einen erwähnten ihn mit einem abfälligen Lächeln, weil sie diesen Aberglauben für lächerlich hielten. Andere taten es nur scheu und hinter vorgehaltener Hand, weil es Unglück bringen sollte, seinen Namen laut auszusprechen. Nur ganz wenige forderten, dem Dämon das Handwerk zu legen. Zu groß war die Furcht vor ihm.
    Francesca Sina wußte nicht, wo sie den Schwarzen Dämon finden konnte, aber sie war sicher, daß es ihr gelingen würde.
    Noch ein letzter Blick auf die Kinder. Sie mußten ohne Vater aufwachsen vielleicht auch ohne Mutter. Aber Francesca Sina konnte nicht anders. Sie wollte und mußten ihren Mann rächen und dieses Scheusal unschädlich machen!
    Auf Zehenspitzen schlich sie in das Schlafzimmer und holte aus einem Schubfach ein geweihtes Kreuz. Mit zitternden Händen hängte sie es um ihren schlanken Hals.
    Die alte Signora Bertolli war im Lehnstuhl eingenickt. Francesca kam unbemerkt an ihr vorbei zur Wohnungstür. Tief aufatmend trat sie auf die Straße.
    Es war erst neun Uhr abends, aber niemand war unterwegs. Die Menschen verkrochen sich in ihren Häusern. Die Angst vor dem Schwarzen Dogen schlich durch die Stadt.
    Francesca Sina nahm noch einmal ihren ganzen Mut der Verzweiflung zusammen. Dann schlug sie genau den Weg ein, den ihr Mann jeden Morgen zur Arbeit genommen hatte. Sie war überzeugt, daß er auf dieser Strecke dem Schwarzen Dogen begegnet war.
    Ihre Lippen bewegten sich, anfangs lautlos, später Worte formend. Immer wieder flüsterte sie den Namen des Ungeheuers, das ihr den Mann genommen hatte und das sie um jeden Preis unschädlich machen wollte.
    Auch um den Preis des eigenen Lebens!
    ***
    Ja, es hätte so schön sein können!
    Die Gondeln glitten unter der Seufzerbrücke durch, über die früher die Gefangenen aus ihren Zellen in den Dogenpalast zur Aburteilung geführt worden waren. Joe Tarrant gab ein paar abgeschmackte Bemerkungen über Casanova zum besten, der bekanntlich auch in den Bleikammern von Venedig gesessen hatte, direkt unter dem mit Blei gedeckten Dach des Gefängnisses. Seine Zweideutigkeiten wurden mit dankbarem Gelächter belohnt.
    Wir lachten nicht mit. Auch Suko und Shao war die Freude an der Gondelfahrt gründlich vergangen. Sie blickten pausenlos um sich. Ich hielt die Fenster der umliegenden Palazzi ständig unter Kontrolle, was gar nicht einfach war.
    Wenn die Gondeln zwischen belebten Gehwegen dahinglitten, war es noch schwieriger. Ich rechnete jeden Moment mit einem neuen Angriff. Zwischen den zahlreichen Passanten konnte sich Antonio Gianelli leicht verstecken. Vielleicht schnellte er sich auch von einem Dach auf mich, oder er kam von einem der Boote, die uns entgegenfuhren.
    Jane Collins saß mit zusammengepreßten Lippen neben mir. Ihr hübsches Gesicht war eine Maske der Konzentration.
    Sukos Hand schwebte ständig in der Nähe seiner Schulterhalfter, damit er jederzeit die Beretta mit den Silberkugeln ziehen konnte. Ich winkte ab. Wir durften den Jungen nicht gefährden. Suko nickte. Er hatte mich verstanden und zog die Hand zurück.
    Ich zuckte zusammen, als plötzlich eine laute Stimme erscholl. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich merkte, was das war!
    Am Markusplatz war ein Sänger zugestiegen. Er stand jetzt in Tarrants Boot und schmetterte Serenaden. Ein Akkordeonspieler, ebenfalls in Tarrants Begleitung, bearbeitete die Tasten.
    Der Sänger, ein untersetzter, stämmiger Mann mit schwarzen Locken, hatte eine fantastische Stimme. Er brauchte

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