0081 - Raumschiff der Ahnen
aus einem Traum zu erwachen.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren. Gehen wir."
Er behielt seine Waffe schußbereit in der Hand, während er langsam auf den ersten Block zuschritt. Der Arzt folgte ihm, während R-75 neben dem Eingang stehenblieb und die Rückendeckung übernahm. Auch er hatte eine Strahlwaffe erhalten und wußte, wie man sie bediente.
Vor dem ersten Block blieben sie stehen. Die beiden Männer sahen hinab auf den schlanken und gut gebauten Körper des weißhaarigen Jünglings, der auf der Oberfläche der trüben Flüssigkeit schlief. Seine Augen waren geschlossen, aber es sah so aus, als könne er sie in jedem Moment wieder öffnen, um die Eindringlinge erstaunt zu betrachten.
Geschlossen war auch der schmallippige Mund, der gut zu dem kleinen aber doch energischen Kinn paßte. Keine noch so geringe Bewegung der Nasenflügel verriet, daß in dem ruhenden Körper noch eine Spur von Leben war.
Der Mann war nackt. Seine fahle Hautfarbe unterschied sich nur wenig von der Flüssigkeit. Kraftlos lagen die Arme dicht neben dem Körper, als gehörten sie nicht zu ihm. Die Beine waren leicht angezogen, als hätte der Unbekannte noch eine letzte Bewegung machen wollen, bevor er einschlief.
Leitungen und Röhren endeten oben in dem Glaskasten. Erst jetzt bemerkten Ps-5 und A-3, daß ständig ein schwach sichtbares Gas in den Behälter strömte und durch eine andere Röhre wieder abgesaugt wurde. Die Beleuchtung genügte nicht, um auch feststellen zu können, ob der Schläfer dieses Gas einatmete oder nicht.
Ps-5 legte vorsichtig seine Hand gegen den Block. Fast ruckhaft zog er sie wieder zurück.
„Kalt" flüsterte er. „Die Flüssigkeit muß kälter als Eis sein."
„Kälter als Eis, aber immer noch flüssig", nickte der Arzt und hatte steile Falten auf der Stirn. „Der Lebensprozeß wurde durch Einfrieren jäh gestoppt. Er kann jederzeit wieder einsetzen. Irgendwann - heute oder in fernster Zukunft - wird das der Fall sein."
Der Psychologe schwieg. Er warf einen letzten Blick auf den Schläfer, ehe er weiterging. Im nächsten Block lag eine Frau. Ps-5 und A-3 starrten auf sie herab und erkannten, daß sie außergewöhnlich schön war. Nur einmal im Leben durften die Männer ihrer Welt eine Frau sehen. Wenn Studium und Lehrzeit beendet war, gab es ein Jahr Urlaub. Es war die schönste Zeit ihres Lebens. In diesem Jahr lernten sie eine Art Familienleben kennen und hatten nur die eine Pflicht, für einen Nachkommen zu sorgen. War das geschehen, wurden die „Ehepaare auf Zeit" wieder getrennt, um sich niemals wiederzusehen. Der Mann wurde der Arbeitsabteilung zugeteilt, für die er sich ausgebildet hatte und blieb dort, bis der Kommandant seine Eliminierung befahl. Die Frau blieb im Kindersektor, bis sie nach etlichen Jahren ihren zweiten Urlaub erhielt.
Nach der Geburt des zweiten Kindes hatte sie ihre Lebensaufgabe erfüllt. Wenn sie sich nicht besonders hervorgetan und für ein Spezialgebiet der Kinderpflege und Erziehung beworben hatte, kam auch für sie der Tod durch den Konverter.
Das Mädchen in dem Glaskasten war nicht nur schön, sie verkörperte auch gleichzeitig die geheimsten Wünsche und Sehnsüchte der beiden Männer, die nichts als ihr nutzloses und schon jetzt verlorenes Leben kannten.
Die Stimme des Psychologen zitterte.
„Ein Wunder... sie ist wie ein Wunder! Sie ist noch sehr jung..."
„Sie ist Tausende von Jahren alt!" unterbrach ihn der Arzt nüchtern. „Sie sieht nur so jung aus, weil ihre Körperzellen nicht verfielen."
Der Psychologe starrte bewegungslos auf die nackte Gestalt, während sich seine Finger wie Eisenklammern um den Griff des Strahlers krallten. In seine Augen trat ein gefährliches Funkeln, und dann sagte er flüsternd: „Diese Ungeheuer...! Zu welchem Leben haben sie uns verurteilt, wer immer sie auch sein mögen!" Er sah auf und suchte die Augen des Arztes.
„Jetzt wissen wir auch, warum wir niemals die Wahrheit erfahren durften. Man wußte, daß wir es nicht länger ertragen hätten! Wir leben in einer einzigen Lüge. Wir sollen nur das kennen, was wir sehen dürfen, und man sagt uns immer wieder, das sei das einzig Schöne, was im Universum existiere. Wir wissen ja nicht, was es sonst noch gibt - außer uns. Aber, A-3, jetzt wissen wir es!"
„Was wissen wir schon?" entgegnete der Arzt und gab sich Mühe, ruhig und gelassen zu erscheinen.
„Hier liegen sie, die ewigen Schläfer. Gut, und was nun? Tragen sie die Schuld an unserem Dasein? Oder
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