0082 - Die Falle im Todesschloß
Gestrüpp lag, zu spät erkannten sie Michel Cordeux, oder besser gesagt das, was noch von ihm übrig geblieben war, zu spät nahmen sie den dunklen Schatten, den sie bis jetzt für einen Baumstamm gehalten hatten, wahr, der nun menschliche Gestalt annahm und sich auf die jungen Männer stürzte.
Roul Sedier stach instinktiv mit dem Messer zu.
Ein fürchterlicher Heullaut entrang sich der Kehle des Unheimlichen.
Das war das letzte, was Roul Sedier in seinem verpfuschten Leben hörte.
Für einige Sekunden sah er noch eine fürchterliche, fellbedeckte Grimasse, fühlte den heißen stinkenden Atem, der ihm wie eine Flammenzunge entgegenschlug, nahm das raubtierhafte Gebiß, das metallisch vor ihm zuklappte, wahr, dann war es auch um ihn geschehen.
So paradox es auch klingen mag, der Mann, den sie gestern gehängt hatten, rächte sich auf schreckliche Weise an seinen Mördern.
Als Werwolf!
***
Nicole Duval hatte es geschafft, das Personal des Krankenhauses auf Hochtouren zu bringen. Und das kurz nach Mitternacht!
Der diensthabende Arzt hatte binnen Minutenschnelle ein Operationsteam auf die Beine gestellt.
Während der Bewußtlose auf einer Bahre in den obersten Stock, wo sich der kleine sachlich eingerichtete Operationssaal befand, gebracht wurde, traten bereits zwei weitere Ärzte und einige Krankenschwestern im Saal zur Hilfeleistung an.
»Wenn wir Sie bitten dürften, hier einstweilen Platz zu nehmen! Es tut uns leid, aber in den Operationsraum dürfen sie nicht hinein!« rief einer der Ärzte dem nassen, schmutzigen, blassen Mädchen zu.
Nicole Duval ließ sich dankbar auf einen harten Holzsessel fallen, den ihr zuvor eine Schwester hingestellt hatte.
Dann schlossen sich die breiten, mit blindem Glas versehenen Flügeltüren und das nervenaufpeitschende Warten begann.
Erst jetzt machten sich die ausgestandenen Ängste dieser Nacht bemerkbar.
Nicole wußte, daß es nicht allein an der feuchten Kleidung lag, daß sie plötzlich zu zittern begann.
Mit einer Handbewegung strich sie sich die Haare aus der Stirn. Unendliche Müdigkeit wollte sich breitmachen, ihre Arme und Beine wurden schwer wie Blei, ihr Kopf sank auf die Brust.
Doch an Schlaf war nicht zu denken! Ihr Gehirn mußte erst die grauenhaften Ereignisse verarbeiten, die immer wieder vor ihrem geistigen Auge abliefen.
Immer öfter warf sie einen Blick auf die große, runde Uhr, die über dem Eingang zum Operationssaal angebracht war.
Nach einigen Minuten hatte sich ihr Blick an dem langen, schwarzen Zeiger festgefressen, der im Abstand kleiner Ewigkeiten zur nächsten Minute hinübersprang.
Die Zeit tropfte wie eine zähe Masse dahin.
Fünf Minuten, zehn, fünfzehn, zwanzig…
Nicole Duval seufzte.
Sie wünschte sich nichts so sehr, als daß die weißen Flügeltüren aufschwingen würden und die Ärzte endlich herauskamen. Trotzdem empfand sie unsagbare Furcht vor diesem Augenblick.
Was ist, wenn Zamorras Gehirn durch den Schlag mit der Schaufel Schaden erlitten hatte? Wenn er nie wieder zu Bewußtsein kam und sein Leben lang in einer Intensivstation dahinvegetieren mußte?
Das Mädchen versuchte diese Gedanken zu verdrängen, sie biß sich jedesmal in die wunden Lippen, wenn sie diese furchtbaren Gedanken weiterverfolgte, aber es war zwecklos.
Schließlich gab sie es auf. Obwohl sie todmüde war, begann sie den weißgekachelten, sauberen Gang auf- und abzuwandern.
Sie konnte einfach nicht still dasitzen!
Nicole Duval wußte nachher nicht mehr zu sagen, wie lange sie qualgepeinigt gewartet hatte, bis sich die Tür zum Operationssaal endlich öffnete.
Obwohl sie auf diesen Augenblick gewartet hatte, erschrak sie doch. Hastig eilte sie auf das Ärzteteam zu.
Mit einemmal saß ein Kloß in ihrem Hals, der fürchterlich würgte. Gleich würde sie über Zamorras weiteres Schicksal Gewißheit haben!
Als letzter wurde Zamorra auf einer fahrbaren Bahre aus dem Saal gebracht.
»Wie geht es ihm?« wollte Nicole den Chefarzt fragen, aber nur ein heiseres Krächzen entrang sich ihrer Kehle.
Der Doktor lächelte flüchtig, als er die Aufregung des hübschen Mädchens bemerkte.
»Kein Grund zur Besorgnis, Mademoiselle!« sagte er. Er legte Nicole beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Ich denke, Sie brauchen uns jetzt dringender als der Professor! Eine Beruhigungsspritze in ihrem Zustand kann bestimmt nicht schaden!«
»Ja, aber…« stammelte Nicole.
»Also, außer zwei tiefen Platzwunden, die wir genäht haben, einer
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