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0084 - Er starb an meiner Stelle

0084 - Er starb an meiner Stelle

Titel: 0084 - Er starb an meiner Stelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Er starb an meiner Stelle
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schriftlich, und einen Durchschlag des Briefes fanden wir in der Mappe mit seiner privaten Korrespondenz. Wenn Steve Lorrence nicht bis zum 15. dieses Monats eine Stellung nachgewiesen hätte, wäre er von seinem Onkel glatt an die Luft gesetzt worden.«
    »Und wie sieht es mit seinen Bildhauerarbeiten aus?«
    »Ich habe unseren Kunstexperten in das Atelier geschickt. Er schüttelt nur den Kopf. Von Begabung könnte überhaupt keine Rede sein. Aus dem Kerl, sagt unser Experte, wäre nicht einmal ein guter Töpfer geworden geschweige denn ein guter Bildhauer.«
    »Das überrascht mich nicht«, murmelte ich. »Aber halten wir mal fest: Steve Lorrence wäre am 15. obdachlos gewesen, wenn er keine Stellung gehabt hätte?«
    »Genau.«
    »Hm. Ist das ein ausreichendes Tatmotiv?«
    Allan stand auf. Er sah auf seine Armbanduhr. Dann nickte er.
    »Okay. Es ist soweit. Kommt mal mit!«
    »Wohin?«
    »In den kleinen Sitzungssaal. Ich habe dort eine kleine Überraschung für euch… und für Steve Lorrence.«
    Wir grinsten. Das ist wohl so üblich in unserem Beruf. Da entwickelt man einen gewissen Sinn für theatralische Wirksamkeit. Der Erfolg eines Verhörs, einer Untersuchung ist oft nur davon abhängig, daß man selbst die richtige Wirkung auf die Beteiligten ausübt, daß man schließlich wie ein Schauspieler auf möglichst gute Auftritte bedacht ist.
    Wir gingen also zum kleinen Sitzungssaal. Dort hatte man eine transportable Filmleinwand und ein Projektionsgerät aufgebaut. Vor der Leinwand saß Steve Lorrence, mit Handschellen an die Stuhllehne gefesselt. Schon allein das stimmte uns nachdenklich. Bei einem Verhör legen wir Handschellen nur denen um, von denen entweder bekannt ist, daß sie zu plötzlichen Zornausbrüchen neigen und kleine Tobsuchtsanfälle bekommen, oder denen, für die lebenslänglich oder die Todesstrafe in Aussicht steht. Die haben nichts mehr zu verlieren und würden sogar eine Flucht mitten aus dem FBI-Distriktgebäude versuchen, wenn man ihnen die Chance dazu ließe.
    Ein paar Männer saßen in der Reihe hinter Steve Lorrence. Wir erkannten ein paar Mitarbeiter der Mordkommission und Wissenschaflter aus unserem Labor.
    In einer Ecke stand ein Tonbandgerät mit im Raum verteilten Mikrofonen. Allan sah sich nur kurz um, dann gab er einen Wink, und das Bandgerät wurde eingeschaltet.
    »Steve Lorrence!« sagte Allan mit einer Stimme, die messerscharf klang. »Ich frage Sie zum wiederholtenmal: Haben Sie am Tage der Ermordung Ihres Onkels Ihren Onkel gesehen und mit ihm gesprochen?«
    Einen Augenblick herrschte tiefes Schweigen. Dann schrie der junge Lorrence hysterisch: »Nein! Wie oft soll ich denn das noch wiederholen!«
    »Bis Sie endlich die Wahrheit sagen«, erwiderte Allan Boyd.
    »Es ist die Wahrheit!« brüllte Steve Lorrence.
    »So?« sagte Allan. »Sie haben also nicht nachmittags gegen drei Uhr mit Ihrem Onkel telefoniert?«
    »Himmelherrgott, nein!«
    »Ihr Onkel hat nicht in der Villa angerufen? Sie waren nicht zufällig selbst am Apparat, als das Telefon klingelte?«
    »Nein!«
    »Schade«, sagte Allan mit triefender Ironie. »Schade, daß Sie sich nicht besser um die Gewohnheiten ihres Onkels gekümmert hatten. Jedesmal, wenn er wegging, schaltete er nämlich ein Tondbandgerät in die Telefonleitung. Vielleicht wollte er damit die Gespräche der Dienstboten kontrollieren, vielleicht bestand auch eine Abmachung mit Freunden oder Geschäftsbekannten, daß im Falle seiner Abwesenheit die Informationen an den Butler durchgegeben werden sollten. Und vielleicht wollte Mr. Lorrence sichergehen, daß der Butler auch alles richtig behalten würde. Fest steht jedenfalls, daß in die Telefonleitung ein Tonbandgerät zwischengeschaltet ist, das sich jedesmal automatisch einschaltet, sobald das Telefon im Hause Chester Lorrence benutzt wird. Da das Bandgerät in Mr. Lorrence eigenem Schreibtisch steht, ist anzunehmen, daß es nicht wildfremde Menschen zum Abhören seiner Gespräche eingebaut haben. Man kann in seinem eigenen Schreibtisch wohl kaum ein fremdes Tonbandgerät übersehen. Sie, Steve Lorrence, bestreiten nach wie vor, mit Ihrem Onkel nachmittags gegen drei telefoniert zu haben?« Wieder herrschte Schweigen. Aber diesmal dauerte es länger, bis der junge Lorrence sagte: »Das ist nichts weiter als ein alberner Trick von Ihnen!«
    Allan zuckte die Achseln.
    »Na schön!« sagte er. »Das Band, bitte!« Und dann hatten wir plötzlich das Gefühl, als säße ein Toter mitten unter uns.

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