0085 - Keiner kann entkommen
Betrunkener mit seinem alten Mercury über die Straße zockelte. Er fuhr nicht gerade schnell, aber dafür konnte er den Wagen auch nicht mehr in einer Linie halten. Rechter Straßenrand, linker Straßenrand, so schlängelte sich der Wagen näher.
Der hat’s gut, dachte Smith. Der kann sich heute wenigstens einen hinter die Binde gießen. Ich muß nüchtern bleiben. Na, wenn er jetzt nicht aufpaßt, klebt er hinten auf dem Laster, der immer noch dort steht. Da! Habe ich es nicht gesagt! Da hat er die Bescherung.
Lautes Krachen von beulendem Blech, Klirren von splitterndem Glas, Quietschen zu spät gezogener Bremsen — und schon war es passiert. Der Mercury klebte im Hinterachsgestänge des Lastwagens.
Smith beugte gespannt den Kopf vor. Da, jetzt öffnete sich die linke Vordertür. Smith mußte unwillkürlich grinsen. Was Angesäuselte doch immer für ein Glück haben! Dachte er. Daß er die Tür überhaupt noch aufbekommt, ist schon ein Wunder.
Jetzt kletterte der Betrunkene heraus. Sein Gesicht war blutüberströmt. Mit unsicheren Bewegungen löste er sich vom Wagen und taumelte zwei Schritte auf die Straße. Dann brach er in die Knie. Noch einmal versuchte er, sich aufzurichten. In diesem Augenblick konnte Smith deutlich das verzweifelte, von Schmerzen verzerrte Gesicht des Mannes erkennen.
Er brach endgültig zusammen.
Verfluchter Dreck, dachte Smith. Konnte er denn nicht besser aufpassen? Wo steht denn bei uns die Hausapotheke? Ach so, ja, hinten im Regal, stimmt. Er humpelte hin, zog den Blechkoffer heraus, nahm den Schlüssel für den Hinterausgang und humpelte so schnell, wie cs ihm die verfluchte Prothese erlaubte, hinaus. Er brauchte nicht ganz eine Minute, bis er auf der Straße war. Als vorsichtiger Mann hatte er die Hintertür erst wieder verschlossen, bevor er auf den Verletzten zuhumpelte.
Er beugte sich über ihn. In diesem Augenblick wurde es unter der Plane des Lastwagens lebendig. Auch der vermeintlich Schwerverletzte, stand mit einem Male auf den Füßen.
Verdammter Dreck! ging es Smith durch den Kopf. Jetzt haben sie dich doch hereingelegt. Nur, weil du glaubtest, du könntest einen Menschen nicht vor deinen Augen verbluten lassen, werden sie dich jetzt abkommandieren zur Höllenfahrt. Aber leicht soll es ihnen nicht werden! Bei Jove, nein!
Er konnte noch immer schnell reagieren. Es hatte nur den winzigsten Bruchteil einer Sekunde bedurft, um ihm die Situation klarzumachen, nachdem von dem Lastwagen die Männer herabgesprungen kamen, und schon war die Blechkasette beiseitegeflogen, die Pistole gezogen und der erste Schuß hinausgejagt.
Er kam trotzdem nicht dazu, ein zweites Mal abzudrücken. Etwas schlug hart gegen seine Schläfe, er fiel rückwärts in einen endlosen Abgrund, und dann wußte, fühlte und empfand er nichts mehr, absolut nichts…
***
Am Samstagabend saßen Phil und ich im Bereitschaftsraum des FBI-Districtsgebäudes in New York. Die meisten Kollegen hatten frei, nur ein Fünftel versah wie allwöchentlich den Bereitschaftsdienst für dringende Fälle übers Wochenende. Ein weiteres Fünftel durfte zwar das Gebäude verlassen, mußte aber in der Zentrale die Telefonnummer hinterlassen, unter der sie zu erreichen waren.
Es mochte abends gegen neun Uhr sein, als Backy Lamor, der Leiter unseres Bereitschaftsdienstes den Raum betrat, wo wir uns mit der Lektüre von Illustrierten beschäftigten.
»Einsatz«, sagte er nur. »Cotton und Decker!«
Wir legten unsere Zeitungen beiseite, stülpten uns die Hüte auf den Kopf und winkten den anderen kurz zu. Für einen Augenblick mußte ich an Bill Xenoros denken, einem FBI-Kollegen griechischer Abstammung. Er hatte vor drei Wochen, genau wie wir jetzt, den Bereitschaftsraum verlassen und uns anderen noch einmal zugewinkt.
Aber er war nie wieder zurückgekommen. Zwei Tage später, am Montag früh, hatte man seine Leiche im Hafengelände gefunden, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Bill war, ohne es selbst zu wissen, mitten in die Verteilung der Ware eines großen Rauschgiftringes hineingeplatzt. Sein Ende mußte furchtbar gewesen sein…
»Im ›Carlton Hotel‹ soll Buck Wright sitzen«, sagte der Eihsatzleiter draußen im Flur und riß mich aus meinen Gedanken. »Ihr wißt, er wird wegen Doppelmordes in Miami gesucht. Seht zu, daß ihr ihn herbringen könnt, ohne daß es allzu schlimm wird…«
Ohne daß es allzu schlimm wird! Das sollte wohl bedeuten: ohne daß Phil oder ich verwundet oder gar getötet wurden. Nun,
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