0085 - Keiner kann entkommen
daran hatten wir selbst das größte Interesse.
Wir nickten dem Einsatzleiter noch einmal zu, bevor wir in den Fahrstuhl stiegen. Wir fuhren hinauf zum Archiv, das ebenfalls mit einem Bereitschaftsdienst besetzt war. Gregg kam uns entgegen. Er ist einer der ältesten G-man in New York, aber fragen Sie mich nicht, wieviel Narben er an seinem Körper hat. Er weiß es selber nicht genau.
»Hallo, Gregg«, grinste ich, als ich sah, daß er wieder einmal belegte Brote aß. Kein Mensch im Districtsgebäude hat Gregg je anders als kauend gesehen. Er vertilgt unglaubliche Mengen, und niemand weiß, wo er es eigentlich läßt. »Hallo!« gurgelte er kauend hervor. »Was ist los?«
»Wir brauchen die Bilder von Buck Wright«, erklärte ich ihm. »Er soll im ,Carlton‘ sitzen.«
»Lieber Himmel!« stöhnte Gregg. »Da macht euch auf einen heißen Empfang gefaßt! Der' Kerl schießt aus allen Knopflöchern. In Kansas City hat er vor zehn Tagen den Hilfssheriff erschossen. Und in Detroit verwundete er zwei Cops und in…«
Phil machte ein saures Gesicht.
»Okay, Gregg«, unterbrach er ihn. »Das haben wir in den Fahndungsblättern alles schon selbst gelesen.«
»Ach so, ja, natürlich«, sagte Gregg, während er schon durch die Regalreihen ging. Er wühlte eine Weile in seinem Karteikasten, dann brachte er eine große Karte zum Vorschein, an die drei Glanzfotos geheftet waren.
»Da habt ihr den schrägen Vogel«, brummte er. »Unterschreiben und viel Glück.«
Wir bescheinigten den Empfang der Unterlagen und verdrückten uns. In unserem Office sahen wir uns die Karte durch. Sie enthielt Wrights genaue Beschreibung, seine Fingerabdrücke, die Adressen seiner Verwandten und engen Freunde, sein Strafregister und die Anzahl der Verbrechen, deretwegen er noch gesucht wurde. Als wir uns das alles gründlich eingeprägt hatten, studierten wir noch eine Weile seine Bilder. Nach bewährter FBI-Manier machten wir uns gegenseitig auf Kleinigkeiten aufmerksam. So blieben sie besser im Gedächtnis. Und auf Kleinigkeiten konnte es ankommen, falls Wright sein Gesicht verändert hatte. Die Ohrläppchen beispielsweise werden von allen Leuten vergessen, wenn sie sich schminken. Dabei ist die Form der Ohrläppchen für ein Gesicht fast ebenso einmalig wie etwa ein Fingerabdruck für eine Person.
»Okay«, knurrte Phil schließlich und schob die Karte und die Fotos beiseite. »Ich denke, wir können jetzt.«
Ich nickte. Schweigend sahen wir unsere Pistolen nach. Sie waren voll aufgeladen und hatten außerdem im Lauf schon eine Patrone.
Mister High hatte mir noch immer verboten, meinen Jaguar zu benutzen, weil er einen neuen Anschlag von Bill Warris fürchtete. Wir nahmen also ein Dienstfahrzeug, einen neutralen Lincoln, und zwitscherten ab.
Wir sind schon so viele Jahre in New York, daß wir uns vor allem in Manhattan einigermaßen auskennen. Das »Carlton« lag dicht am Roosevelt Drive, der am East River entlangführte.
Es ist nicht gerade das, was man ein gutes Hotel nennen könnte, aber es gehört auch nicht zu den verkommenen. Irgendwo dazwischen hält es sich in der Schwebe. Wir stoppten den Wagen einen Häuserblock vorher, stiegen aus und bummelten wie zwei Spaziergänger den Block entlang.
Wir gingen zuerst einmal am »Carlton« vorbei, ohne auch nur einen Blick durch die Drehtür in die Halle zu werfen. In der nächsten Seitenstraße trennten wir uns. Ich lief den ganzen Weg um den Häuserblock zurück und kam dann von oben, während Phil gleichzeitig von unten aus der Seitenstraße her wieder auf das »Carlton« zusteuerte.
Der Portier stierte uns erstaunt an. Eben hatte er uns noch gemeinsam an ihm Vorbeigehen sehen, und jetzt kam ich aus der gleichen Richtung noch einmal anspaziert.
»Haben Sie Feuer?« fragte ich und schnippte mit einer Zigarette.
»Selbstverständlich, Sir!«
Er beeilte sich, ein Feuerzeug aus den Tiefen seiner Taschen zutage zu fördern.
»Wir suchen ’nen alten Freund«, sagte ich. »Waren früher mit ihm mal zusammen in einer Pension…«
Er grinste. Die Anspielung auf das Zuchthaus schien er verstanden zu haben.
»Wie sieht der Herr denn aus?« erkundigte er sich.
»Ich glaube, ungefähr so«, begann ich. Dann lieferte ich eine Beschreibung von Buck Wright, nur machte ich ihn ein bißchen leichter und schmaler, als er wirklich war. Leute, die man im Zuchthaus kennenlernt, sind gewöhnlich etwas unter ihrem Normalgewicht.
Ich merkte schon nach wenigen Worten, daß mich der Portier
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