0085 - Keiner kann entkommen
meine Leute aufsuchen wollte, mußte ich einen Wagen haben, denn New York ist lausig groß, das können Sie mir glauben.
Well, während ich also in dem Leihwagen dahinzuckelte, gingen mir so einige Gedanken durch den Kopf. Dieser Bill Warris war genau das, was Mister High von ihm gesagt hatte. Er war anders als die übrigen Gangster. Man konnte von ihm sagen, daß er alle schlechten Eigenschaften wie Skrupellosigkeit und brutalen Egoismus auf höchste Maße hin entwickelt hatte. Wenn man so einen Mann fangen wollte, mußte man vielleicht ganz andere Methoden anwenden, als sie sonst bei der Polizei gebräuchlich sind. Vielleicht mußte man sich etwas völlig Neues einfallen lassen, um eine reelle Chance zu haben, ihn doch noch zu kriegen?
Die Frage war nur, was? Wie sollte man es machen?
Mir fielen fast die Augen zu, aber in meinem Gehirn arbeitete es doch noch. Langsam brachte mich die ganze Sache mit diesem Warris in Rage. Nicht genug damit, daß er vier Polizisten getötet hatte, brachte er es auch noch fertig, irgendwie einen Freispruch zu kriegen! Das war der Gipfel!
Hoppla, Jerry, sagte etwas in meinem Gehirn, jetzt bist du zu weit gefahren!
Ich war tatsächlich an meiner Wohnung schon vorbeigebraust.
Nun hör auf zu denken, sagte ich mir. Du bist viel zu müde, als daß dabei noch etwas Gescheites herauskommen könnte.
Ich fuhr in eine Seitenstraße, setzte vorsichtig zurück, um zu wenden, und bog wieder geradeaus.
Aus den Augenwinkeln sah ich den Lastwagen auf der anderen Straßenseite, genau in der Höhe des Hauses, in dem ich wohne. Aber ich achtete kein bißchen darauf. Ich stoppte den Wagen vor der Haustür, zog den Zündschlüssel ab und stieg aus.
Ich stand noch nicht ganz auf den Beinen, da ratterten drüben zwei Maschinenpistolen los.
Ich lag in Deckung, bevor ich selber richtig verstanden hatte, daß geschossen wurde. In solchen Fällen handelt man rein instinktiv, wenn man lange genug bei einem Verein ist, wo solche Dinge fast zum täglichen Kram gehören.
Ich peilte unter dem Wagen durch. Die Plane des Lastwagens war auf der einen Seite hochgeschoben, und dort standen zwei Mann und hielten ihre Tommy Guns in den Händen. Sie beharkten meinen Leihwagen, daß es mir wehtat. Der Wagen mußte auf der einen Seite bereits eine verzweifelte Ähnlichkeit mit dem Sieb in einem Ausguß haben: lauter schöne, kleine Löcher, eines neben dem anderen.
»Mister Cotton!« rief eine leise Stimme.
Sie kam von meiner Haustür her.
Ich drehte den Kopf um. Mir blieb das Herz um. Die Haustür stand einen Spalt breit offen, und dadrin zeigte sich die vorwitzige Nase des zwölfjährigen Söhnchens von meinem Nachbarn.
»Ben, verschwinde!« brüllte ich.'
»Kommen Sie rein, Mister Cotton!« zischte der Kleine eifrig. »Hier drin ist bessere Deckung für Sie! Garry Cooper hat sich auch hinter eine Tür gelegt, als er auf die Indianer vor dem Blockhaus wartete!«
Himmel, der Bursche konnte einem die Haare zu Berge treiben! Ich peilte noch einmal unter dem Leihwagen hindurch zu dem Lastwagen. Ein dritter Kerl fummelte dort mit Streichhölzern herum.
Streichhölzer?
Mir blieb die Luft weg. In solchen Sachen können Streichhölzer nur einen einzigen Sinn haben: sie sollen etwas anzünden, entweder eine Lunte, die in einen Benzinkanister geht, oder eine Zündschnur für irgendeinen Explosivstoff. Und der Junge in der offenen Haustür!
Ich zog meine Kanone und zielte. Well, ich bin beim FBI, wer bei diesem Verein ist, der kann schießen. Ich wollte abdrücken, da hob der dritte seinen Arm. Dynamitpatrone!
Ich warf mich herum, hechtete auf die Haustür zu und flog Hals über Kopf in den Hausflur hinein. Ich knallte die Tür mit dem Absatz zu. Mit einem Griff hatte ich mir den Jungen geschnappt und hetzte mit ihm die Treppe zum ersten Stock hinauf.
Als ich in den Flur zur ersten Etage einbog, knallte es. Für ein paar Sekunden war ich wie taub. Ich sah zwar, daß das Fenster zur Straße hin plötzlich in tausend kleine Scherben zerfiel, aber ich hörte nichts vom Klirren. Der Luftdruck warf mich ein Stück zurück.
Ich ließ den Jungen los und sprang zum Fenster. Von meinem Leihwagen gab es nicht mehr viel.
Drüben sprangen die drei Halunken gerade vom Lastwagen und liefen zu einem Personenwagen, der anscheinend für ihre Flucht bereitstand.
Ich zielte ganz kaltblütig. Als ich abdrückte, machte der letzte einen Satz, schrie etwas, denn ich sah, wie er seinen Mund weit aufriß, aber ich hörte nichts. Ich
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