Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0086 - Das Floß der Verdammten

0086 - Das Floß der Verdammten

Titel: 0086 - Das Floß der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Saupe
Vom Netzwerk:
die sie finden könnten.
    »Kein Schiff«, stöhnte Simba Simba, der sich schwach vorkam wie ein Kind ohne jegliche Hilfe.
    Ben Benson wandte den Kopf, sah den Neger an. Aber er sagte nichts. Er hatte den ganzen Vormittag noch nichts gesagt.
    Der Neger hob den Kopf, lauschte nach vom. War da nicht ein Geräusch gewesen? Es klang wie der Motor eines kleinen Sportflugzeugs.
    »Hört ihr das?«, sagte er mühsam.
    Nur der junge Mulatte hatte das Geräusch auch gehört.
    »Ein Flugzeug«, sagte er.
    »Siehst du es? Kannst du es sehen, Moreno?«, fragte Simba ein wenig hoffnungsvoll.
    »Ich sehe nichts. Nicht einmal einen silbernen Punkt am Himmel.«
    »Aber es ist ein Flugzeug in der Nähe.«
    »Ja, nicht sehr weit«, sagte der Mulatte darauf.
    »Er wird uns finden, Moreno.«
    »Vielleicht sucht er uns gar nicht, Simba.«
    Der Neger schwieg, sah zum Himmel. Nein, nichts zu sehen. Strahlender, blauer Himmel. Himmel, wie er im Sommer schön war, auf jeder Insel. Das Meer unter dem Sonnenlicht.
    Und jetzt wollte jeder dieses Meer aus Wasser und Salz verfluchen.
    »Verfluchte Sonne!«, stöhnte Simba. »Verfluchte Sonne und verdammtes Meer und diese dreimal verdammte Angst, der ganze verdammte Durst, der ganze verfluchte Hunger!«
    »Verflucht sind nur wir, Simba«, sagte der Mulatte. »Verfluchte auf einem Floß. Einsam, ohne Rettung.«
    Die Augen des Negers traten fast aus ihren Höhlen, als das Motorengeräusch nicht mehr zu hören war.
    »Abgedreht«, sagte er. »Der blöde Kerl hat abgedreht. Und er war schon dicht über uns, ich weiß es.«
    »Nicht aufgeben, Simba«, sagte Moreno Garcera.
    Aber der Wahnsinn begann den Neger zu ergreifen. Der hünenhafte Neger schwankte auf den Mast zu, rutschte zu Boden, rappelte sich langsam auf.
    Er starrte aufs Wasser, hob den Kopf, schrie gegen die Sonne an.
    »Sonne, mörderische!«, schrie er. »Verschwinde, Sonnenaas! Weg mit dir! Ich will Wolken sehen! Wolken, hörst du nicht? Ich muss Regen haben, ich muss Wasser haben, hörst du? Wasser für meine Lippen, für meine Gurgel, für meinen Körper, der langsam zu braten beginnt! Regen, Regen, Regen, Regen, Regen!«, schrie er unaufhaltsam.
    Dann ging er auf den Koch zu, rüttelte ihn an den Schultern.
    »Wo ist dein Schlauch, Papas? Gib Wasser her!«, brüllte er ihn an.
    »Tut mir leid, Simba«, sagte Papas Magaya, ohne den Kopf zu heben. »Da liegt der Schlauch. Es gibt kein Wasser mehr. Nicht einen Tropfen. Du weißt es.«
    »Weiß es, weiß es, weiß es«, stammelte der Neger. Er riss den Wasserschlauch aus Leder hoch, steckte den Mund in die Öffnung, begann, an dem Schlauch zu saugen.
    »Nichts!«, brüllte er dann los. »Nichts, kein Wasser.«
    Er warf den Schlauch zu Boden, trampelte mit den Füßen darauf herum. Dann ließ er sich neben dem Koch zu Boden sinken.
    »Kein Wasser, Papas«, stöhnte er.
    »Ich hab’s dir gesagt«, kam die Antwort des Kochs.
    »Wann geht das zu Ende, Papas? Wann haben wir Wasser?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte der Koch.
    Da warf Simba seinen Kopf gegen die Bohlen, dass es krachte. Nur das Wasser, das über das Floß spülte, bremste den Aufprall ein wenig.
    Immer wieder warf der Neger sich mit dem Kopf gegen die Bohlen.
    »Ich werde wahnsinnig, Papas. Sag mir, dass ich wahnsinnig werde.«
    »Nein, Simba«, sagte der Koch aus Trinidad. »Du wirst nicht wahnsinnig, starker Simba. Du kannst nicht wahnsinnig werden.«
    Simba Simba setzte sich halb auf. Mit glasigen Augen starrte er auf Papas Magaya. Nahm den Blick nicht mehr von ihm. Sein Kopf war in den mächtigen Nacken eingezogen.
    »Warum nicht, Papas?«, begann er mit lallender Stimme. »Warum nicht wahnsinnig? Warum kann ich nicht wahnsinnig werden, Papas Magaya?«
    »Es ist unmöglich, Simba, du Löwe von einem Mann. Es geht nicht.«
    »Geht nicht«, lallte Simba wieder. »Geht nicht. Warum?«, schrie er dann los. »Warum nicht? Geht nicht? Warum nicht wahnsinnig werden?«
    »Weil du’s schon bist, Simba«, sagte der Koch. »Du bist schon wahnsinnig, Simba, Löwe, du Riese du, du ausgequetschter, armer kleiner Haufen von einem Menschen. Du bist schon wahnsinnig, Simba.«
    Der Neger gab einen Schrei von sich und ließ sich nach hinten fallen. Er fiel mit dem Genick auf den Rand des Floßes. Wieder wirkte das Wasser wie eine Bremse bei diesem Fall. Sonst hätte Simba sich das Genick brechen können.
    Aber in ihm war mehr zerbrochen. Das letzte, was für diese Männer auf dem Floß nötig war. Simba Simba hatte keinen Lebenswillen mehr.

Weitere Kostenlose Bücher