009 - Die Bestien
Georges Sirven mit rauher Stimme. »Es war ja nur ein paar Sekunden dunkel. Jetzt ist nicht mehr daran zu zweifeln: Wir haben es mit übernatürlichen Kräften zu tun.«
Weder Gilles noch Robert widersprachen. Roberts Blick wanderte zu Elina. Sie stand neben dem Flügel, der aufgehört hatte, zu spielen, und rauchte eine Zigarette. Sie schien ungerührt. Robert trat zu ihr und ergriff ihre Hand.
»Nun, Robert?« sagte sie mit sanftem Lächeln. »Das ist wirklich ein ungewöhnlicher Abend.«
Es war wieder still geworden im Schloss. Auch draußen heulten die Hunde nicht mehr. Sogar der Sturm schien sich gelegt zu haben.
Robert sah sich nach dem Engländer um, konnte ihn aber nicht entdecken. »Wo ist denn Mr. Hopkins?« fragte er. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sein Vater.
Der Engländer war verschwunden.
Obwohl es wieder ruhig geworden war, wollte doch niemand sein Zimmer aufsuchen. Vergebens versuchten Georges Sirven und sein Sohn, ihren Gästen Mut zu machen. Diese waren noch sichtlich von Furcht erfüllt und horchten besorgt auf das kleinste verdächtige Geräusch. Eulalia, die Köchin, die so große Sprüche gemacht hatte und die Geister mit dem Kochlöffel hatte vertreiben wollen, zitterte jetzt vor Angst. Und der Jagdaufseher wiederholte immer wieder bleich und erregt: »Ich habe es Ihnen ja gleich gesagt, Herr Sirven, auf dem Schloss liegt ein Fluch. Die Hunde waren verhext. Bestimmt hat Hurlo das alles gemacht. Hurlo ist ein Hexenmeister, da bin ich sicher. Der hat den bösen Blick. Er ist gefährlich. Man muss dafür sorgen, dass er nicht noch mehr Unheil anrichten kann.«
Der Gastgeber und sein Sohn gingen hinauf in das Zimmer von John Hopkins, um zu sehen, ob dieser sich vielleicht zurückgezogen hatte. Der Raum war jedoch leer. Mit elektrischen Taschenlampen ausgerüstet, durchsuchten sie die Gänge und alle anderen Zimmer. Sie gingen auch in die Küche und in die Bibliothek und vergaßen sogar die Zimmer der Dienstboten nicht. Doch der Engländer war nirgends zu finden.
Als sie in den Salon zurückkehrten und sagten, dass sie ihre Suche nun im Park fortsetzen wollten, waren alle anderen dagegen. Coutarel und Ravignat weigerten sich, sie zu begleiten, und Frau Sirven stellte sich ihnen in den Weg.
»Bitte, geht nicht hinaus!« flehte sie ihren Mann an. »Es wird euch ein Unglück zustoßen. Wartet, bis es Tag geworden ist.«
Nach der Durchsuchung des Schlosses waren Robert und sein Vater an die Haustür gegangen und hatten den toten Eber betrachtet. Verdutzt hatten sie festgestellt, dass in seiner Seite das lange Jagdmesser von Oberst Cour steckte. Sie hielten es jedoch für besser, den anderen gegenüber nichts davon zu erwähnen.
»Wie man es auch dreht und wendet«, erklärte Georges Sirven, »es lässt sich nicht länger leugnen, dass die Vorgänge nicht mehr logisch zu erklären sind. Hier waren übernatürliche Kräfte am Werk, ob man es glauben will oder nicht.«
Einige der Gäste waren mittlerweile erschöpft in ihren Sesseln eingeschlafen. Der Gastgeber und sein Sohn zogen sich in einen kleinen Raum neben dem Salon zurück, um die Lage zu besprechen.
»Ja, du hast recht. Der große schwarze Hund, den Gilles und ich gesehen haben, lässt sich nicht mehr logisch erklären.«
»Aber ich will trotzdem einfach nicht an Geistererscheinungen und dergleichen glauben«, erklärte sein Vater. »Obgleich – auch die Geschichte mit dem Eber ist unerklärlich.«
»Ja, es ist völlig ausgeschlossen, dass der Eber mit dieser Verletzung und dem Messer im Leib noch vier Tage lang gelebt hat. Vermutlich hat man ihn hergetragen.«
»Hopkins könnte damit zu tun haben. Warum hat er während des Essens unbedingt seine Geister- und Hexengeschichten erzählen müssen? Aber diesmal können wir nicht annehmen, dass es sich bei den Spuren nur um eine Einbildung handelt und dass wir alle einer Massenhalluzination zum Opfer gefallen sind. Die Spuren sind immer noch zu sehen, und der Lüster liegt immer noch am Boden. Aber wo steckt bloß Hopkins? Ist er schon vor dem Spuk verschwunden oder erst hinterher? Wahrscheinlich wird er morgen früh frisch und fröhlich erscheinen und uns erklären, dass er einen Mondscheinspaziergang gemacht habe.«
»Wahrscheinlich«, bestätigte Robert. »Aber damit sind noch nicht diese unheimlichen Pfotenspuren erklärt.«
Sie schwiegen, dann sagte Georges Sirven: »Hör mal, Robert, wir beide haben doch nie an Geisterbeschwörungen, an Hexerei, Gespenster und so
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