009 - Mordaugen
ein
Mann, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Sein Gesicht war aufgedunsen und blau
angelaufen.
Er atmete
nicht mehr. Seine weitgeöffneten, leblosen Augen starrten Kunaritschew an.
Der Tote war
noch warm, die zuckende Hand, die aus dem Laub wie der Kopf einer Schlange
geglitten war, ging auf eine Reflexbewegung zurück.
Der
Unbekannte hatte rotblondes Haar, eine leicht gebogene kräftige Nase und Pickel
am Kinn. Bartstoppeln sprossen aus den Wangen. Es sah so aus, als wollte sich
der Mann einen Backenbart stehen lassen.
Das grelle
Licht der Taschenlampe brachte noch mehr Details ans Tageslicht.
Die feucht
schimmernden Flecke und Streifen am Hals klebten auf der Haut. Es war eine
schleimige Substanz, die von dem geheimnisvollen Würger zurückgeblieben war.
Sie erinnerte Kunaritschew an Seetang, und er mußte unwillkürlich an
saugnapfbesetzte Krakenarme denken, die sich dem Unglücklichen um die Kehle
geschlungen hatten.
Der Tod durch
Erwürgen war erst vor wenigen Minuten eingetreten.
Der Mörder
mußte sich also noch in der Nähe befinden!
Iwan
Kunaritschew ließ die Taschenlampe kreisen, entdeckte aber nichts Verdächtiges.
Dann
durchsuchte er die Taschen des Toten, um festzustellen, wen er vor sich hatte.
Der Tote trug
Ausweispapiere bei sich.
Er hieß Sam
Mallock und war Privatdetektiv.
Er stammte
aus Denver und hatte sein Büro in New York.
Wem war Mallock
auf der Fährte gewesen?
Dieser
Gedanke - und der Eintritt des Ereignisses waren eins...
Wie eine
Peitsche zischte es durch die Luft, es kam von oben, war feucht und glitschig
und schlang sich um seinen Hals.
Kunaritschew
ging in die Höhe wie eine Rakete.
Er ließ die
Taschenlampe fallen, um beide Hände frei zu haben.
Kalte,
glitschige Finger stellten ihm die Luft ab.
Kunaritschew
röchelte und schob seine Finger unter die des Würgers.
Mit aller
Kraft kämpfte er gegen einen Feind, der ihm in der Dunkelheit aufgelauert
hatte.
Er stand
nicht hinter ihm. Sonst wäre die Chance des Russen, das Blatt zu seinen Gunsten
zu wenden, größer gewesen.
Der Feind war
über ihm, hatte sich im Geäst eines Baumes verborgen gehalten.
Was sich an
seiner Kehle anfühlte wie Finger, waren lange, tentakelähnliche Auswüchse,
deren unbarmherziger Druck zunahm.
Mit aller
Kraft setzte er sich zur Wehr. Grauen erfüllte ihn.
Er starrte
nach oben in den Baum, von wo aus der Angriff auf sein Leben erfolgte.
Iwan
Kunaritschew sah nur eine dunkle, atmende Masse, einen tonnenartigen Körper,
der schwarz-grün glänzte und ein Teil des Geästes und der Nacht zu sein schien.
Das
nachtmahrgleiche Wesen hatte offenbar viele Arme und Hände.
Verschwommen
nahm X-RAY-7 wahr, daß sich mehrere Äste und Zweige bewegten.
Er taumelte
und verlor den Boden unter den Füßen.
Um ihn herum
begann alles zu kreisen.
Er warf sich
ruckartig vor und riß an den langen Fingern eines Wesens, das nicht von dieser
Erde stammte...
Iwan wußte,
wie Sam Mallock gestorben war. Er wußte, wie er sterben würde.
●
In dem
Moment, als die Scheinwerfer sich zeigten, reagierte Bony.
»Er kommt«,
sagte er.
»Ich weiß.
Ich habe ihn schon vor fünf Minuten registriert«, sagte der Mann, der nicht
sehen konnte. »Fahren wir. Er wird übernehmen...«
Bony
startete. Die Scheinwerfer flammten auf. Der weiße Ford Mustang rollte
majestätisch die Straße entlang. Ihm entgegen kam ein knallroter Lotus Europa,
ein Traumwagen, schnittig, schnell, eine Augenweide, die das Herz jedes
Autonarren höherschlagen ließ. Die Begeisterung wäre noch um einige Grade
gewachsen, hätte derjenige gewußt, daß es einige Extras gab, die man dem Wagen
äußerlich nicht ansah.
Er konnte
mehr, als auf einer Straße fahren. Er war als Amphibienfahrzeug verwendbar und
außerdem als Klein-Flugzeug. Die Flügel waren ausschwenkbar. Das alles war
geschickt und phantasievoll konstruiert, daß der Lotus sich äußerlich von
normalen Modellen praktisch nicht unterschied. Das »Anderssein« begann unter
der Kühlerhaube, in den Hohlräumen der Karosserie, in der Technik. Hier hatten
die Konstrukteure ein wahres Kunstwerk geschaffen. Und dieser Lotus war bisher
ein einmaliges Sondermodell.
Die beiden
Fahrzeuge begegneten sich.
Der Mann am
Steuer des Lotus wandte kurz den Blick. Der Lotus-Fahrer war blond und
braungebrannt, ein sympathischer Typ, der den Eindruck erweckte, man könne mit
ihm Pferde stehlen.
Larry Brent
war X-RAY-3 und ahnte in dieser Sekunde nicht, daß er zum dritten Mal in
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