0090 - Den Teufel zur Hölle geschickt
halbe Minute hörte ich nur ein schwaches Summen in der Leitung.
Dann fragte er vorsichtig. »Hast du mich verstanden, Elen?«
Ich hörte ihren hilflosen Seufzer. »Wenn ich dir nur glauben könnte, Ken…«
»Elen« drängte er. »Liebst du mich nicht mehr?«
»Doch, Ken. Hätte ich sonst angerufen?«
»Dann musst du mir auch glauben! Ich will niemandem etwas Böses tun. Ich habe es dir fast drei Wochen lang bewiesen. Wie kannst du ein paar unüberlegte Sätze so ernst nehmen!«
»Ken, ich will nicht, dass du deine Hände mit Blut befleckst.«
»Ich denke nicht daran, so etwas zu tun. Ich will nur mein und dein Leben retten, Elen. Weißt du nicht, was sie mit mir tun, wenn sie mich fangen? Sie schicken mich auf den elektrischen Stuhl. Es gibt vor dem Gesetz keine Ausrede. Ich hätte schon längst fliehen müssen. Sie sind mir auf der Spur. Ich spüre es, Elen. Vielleicht werde ich schon morgen verhaftet. Längst hätte ich das Land verlassen müssen, aber ich konnte nicht ohne dich gehen. Ich konnte es einfach nicht. Komm mit! Noch heute Nacht können wir ein Flugzeug in den Süden nehmen. Ich habe mein Geld längst von der Bank geholt. - Wenn du noch zögerst, Elen, dann werden sie mich greifeh, und dann, Elen, bist du es schuld, wenn ich mein Leben auf dem elektrischen Stuhl lassen muss.«
»Ken!«, schrie sie auf!
»Und ich weiß nicht einmal, ob ich dich schützen kann«, setzte er mit abgrundtiefer Trauer in seiner Stimme hinzu. »Die G-men verstehen es, einen Mann zum Reden zu bringen. Sie sind nicht wählerisch in ihren Mitteln. Ich hoffe nur, ich kann es aushalten.«
»Ken!«, flüsterte sie.
Das ganze Gerede des Burschen bestand vom ersten bis zum letzten Wort aus falschen Tönen und so dicken Lügen, dass beinahe der Telefondraht vor Scham glühte. Ein Blinder mit Krückstock konnte fühlen, dass er genau das Gegenteil von dem dachte, was er redete. Als normaler Mensch begriff ich einfach nicht, dass jemand auf das Gesäusel hereinfallen konnte.
»Lebe wohl, Elen!«, schickte er einen Seufzer durch den Telefondraht.
»Was willst du tun, Ken?«
»Am besten stelle ich mich«, lispelte er. »Es ist alles sinnlos, wenn du mir nicht mehr glaubst, und… wenn du mich nicht mehr liebst.«
»Ken, ich liebe dich, ich liebe dich, aber…«
»Alles Gute, Elen.«
»Ken, ich will ja mit dir fliehen. Nur…«
»Es muss sofort sein, wenn du es ehrlich meinst. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Ich hole dich ab. Wo bist du, Elen?«
Am liebsten hätte ich jetzt geschrien: »Sagen Sie es nicht!« Aber wir können zwar abhören. Wir können jedoch nicht dazwischensprechen. Und dann war es auch schon zu spät.
»East 125. Street Nummer 4628, ein Boarding-House.«
»Welche Wohnung hast du?«
»1015, Ken, aber…«
»Ich komme«, sagte er hastig. Ich hörte das Knacken, als er auflegte.
»Ken!«, rief die Frau, aber sie bekam keine Antwort.
***
Ich riss die Jacke vom Haken.
»Ruf die Überwachungsabteilung an! Sie haben einen Mann auf den Inhaber dieses Anschlusses angesetzt. Es muss verhindert werden, dass er das Haus 4628 in der 125. Straße betritt.«
Bei dem letzten Wort war ich schon aus der Tür.
Wenn Sie einen Blick auf die Karte von New York werfen, dann erkennen Sie auf den ersten Blick, welchen unverschämten Vorteil der Mann mir gegenüber besaß. Ein schlechter Autofahrer benötigt von Wards Island bis zur 125. Straße in der Größenordnung der 4000er-Nummern zwanzig Minuten, aber auch ein guter Fahrer kann vom Sitz unseres Hauptquartiers bis zur 125. nicht hoffen, unter fünfzig Minuten zu bleiben. Das gilt natürlich nur für die Nacht. Tagsüber kann es zwei Stunden oder länger dauern, je nach der Dichte des Verkehrs.
Als ich den Jaguar startete, war es vierzehn Minuten nach Mitternacht. Ich schaltete Sirene und Rotlicht ein, und dann ging es los.
Ich ließ es darauf ankommen. Die Straßen waren eigentlich noch nicht leer genug, um selbst mit Sirenengeheul und Warnlicht ohne Vorsicht fahren zu können, aber ich tat, was ich konnte. Ich betrachtete den Broadway als eine Rennpiste, und ich tat einfach, als gäbe es weit und breit kein Hindernis.
Wie gesagt, ich startete vierzehn Minuten nach Mitternacht, und genau um zehn Minuten vor ein Uhr trat ich vor dem Haus 4628 der 125. Straße in die Bremse.
Die 125. ist in dieser Gegend eine reine Wohnstraße, praktisch ohne jeden Verkehr. Nummer 4628 war ein Apartmenthaus, zwanzig oder dreißig Stockwerke hoch, eines dieser Häuser,
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