0090 - Den Teufel zur Hölle geschickt
er. »Ich springe, wenn Sie… noch… einen Schritt tun… Ich… ich stürze mich hinunter!«
Ein Schritt trennte ihn von der Feuerleiter, die an der Außenwand des Hauses entlanglief. Ein Schritt nur, keine große Sache, wenn es sich auch um den zehnten Stock handelte, aber er hatte offenbar nicht den Mut gefunden, diesen Schritt zu tun. Immerhin, wenn er jetzt den Mut fand, loszulassen, dann stürzte er sich aus der Welt und aus der Gewalt des irdischen Gerichtes.
***
Ich bohrte meinen Blick in seinen.
»Du nicht, Spider«, sagte ich leise. »Du bist so erbärmlich, dass du nicht einmal den Mut hast, dich selbst zu richten. Du kannst das Vertrauen eines Kindes schäbig ausnutzen. Du treibst eine Frau, die dich liebt, zu Taten, die sie sonst nie begangen hätte, und du schickst andere vor, die für dich die Rolle des Kidnappers übernehmen müssen. Aber sonst, Spider, sonst kannst du nichts tun, weil du in der Tiefe deines Herzens nichts anderes bist, als ein habsüchtiger, erbärmlicher Feigling.«
Während ich sprach, tat ich einen, zwei, drei Schritte über den Balkon hinweg.
»Ich lasse los, Cotton«, heulte er.
Ich lachte grimmig. »Sieh hinunter«, stieß ich hervor. »Zehn Etagen, Spider. Man fällt fünfzehn Sekunden, und so lange stirbt man auch. Vielleicht schlägst du auf einen der anderen Balkone auf, brichst ein Dutzend Rippen, das Rückgrat und rollst dann weiter, abwärts, abwärts, abwärts!«
Seine Unterlippe zitterte. Unartikulierte Laute drangen aus seiner Kehle.
Eine Armlänge trennte uns noch.
»Lass los, du Feigling!«, höhnte ich. Er drehte den Kopf und blickte in die Tiefe. Er stieß einen leisen Schrei aus.
»Nein… nein…«, stammelte er.
Ich griff zu. Ich packte seine Jackenaufschläge und zog ihn über die Brüstung zurück. Willenlos ließ er es geschehen, und als er mit den Füßen den festen Boden des Balkons berührte, sank er ohnmächtig zusammen.
Ich schleifte ihn in das Wohnzimmer und ließ ihn auf dem Boden liegen.
In der Diele drängten sich stumm und mit entsetzten Gesichtern die Bewohner des Hauses.
Ich ging auf die Tür zu, die das Wohnzimmer von dem Schlafraum trennte. Die Füllung zeigte vier Kugeleinschläge.
Ich legte die Hand auf die Klinke und drückte sie nieder, aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Und dann hörte ich, durch die Tür dringend, ein Geräusch: das Weinen eines Kindes.
Bevor ich einen Gegenstand gefunden hatte, mit dem ich die Tür aufbrechen konnte, drangen ein G-man und zwei Cops in die Wohnung. Der G-man war Ted Wynder von der Überwachungsabteilung.
»Oh, Jerry«, stöhnte er. »Das ist die schlimmste Sache, in der ich je steckte.«
»Warum hast du ihn nicht gehindert, das Haus zu betreten?«, fragte ich.
»Weil ich’s nicht wusste, verdammt! Die Funksprechanlage funktionierte nicht. Die Zentrale erreichte mich nicht. Er verließ sein Haus, und ich setzte mich auf seine Fersen. Er parkte .ein Stück weiter unten, ging zu Fuß. Ich folgte ihm. Als ich sah, dass er in dieses Haus ging, drehte ich um, um dich irgendwie zu benachrichtigen, nachdem diese verdammte Sprechanlage aussetzte.«
»Okay, nicht mehr wichtig«, winkte ich ab. »Hilf mir, diese Tür zu öffnen!«
Einer der Cops brachte eine Eisenstange, die sich als Stemmeisen benutzen ließ. Mit vereinten Kräften brachen wir das Schloss heraus.
Ich drückte die Tür auf. Ich spürte, dass etwas von der anderen Seite vorlag, aber es bot keinen großen Widerstand. Als der Spalt groß genug war, dass ich mich durchzwängen konnte, sah ich, dass der Widerstand von dem schlaffen Körper einer Frau herrührte. Es war Eleonor Besby. Sie war von drei Kugeln getroffen worden. In der äußersten Ecke des Schlafzimmers stand ein kleiner, achtjähriger Junge, der abgerissen und ungepflegt aussah. Tränen liefen über sein schmutziges Und blutverschmiertes Gesicht. Sein Haar war wirr und zu lang.
Aus großen, feuchten Augen sah er mir entgegen, Augen, in denen die Angst stand.
»Hallo, Charlie«, sagte ich leise. Er drückte sich noch enger in die Ecke. Er schien Furcht vor mir zu empfinden, aber das störte mich nicht. Ich stand Charlie Holster gegenüber, und das war mehr, viel mehr, als ich noch zu hoffen gewagt hatte.
***
Eleonor Besby wurde nicht mehr gesund, obwohl sich die Ärzte viel Mühe gaben, sie trotz der schweren Wunden zu retten. Ich glaube, es lag vielleicht daran, dass sie einfach nicht mehr leben wollte.
War es schließlich nicht besser für sie, dass sie
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