0094 - Alle auf einen Schlag
ständig im Büro herumzusitzen und alberne Fragen zu beantworten.«
Boyd nickte und sah den Geschäftsmann nachdenklich an. Dann murmelte er: »Bei der Aufklärung von Kapitalverbrechen ist der einzelne an der Ermittlungsarbeit beteiligte Beamte zu einer sofortigen Festnahme ohne richterlichen Haftbefehl berechtigt, wenn er einen dringenden Tatverdacht und Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr für gegeben hält… Das ist unsere Dienstvorschrift. Wenn es Ihnen so lieber ist? Allerdings müsste ich Sie wegen Ihres eigenartigen Benehmens dann auch vorläufig mit festnehmen. Keine Angst, innerhalb von vierundzwanzig Stunden wären Sie wieder auf freiem Fuß, wenn sich unser Verdacht nicht bewahrheiten sollte.«
»Bleiben Sie sitzen!«, brüllte der Mann mit hochrotem Kopf. »Ich schicke Ihnen Miss…«
Der Name blieb unverständlich, denn der Mann hatte die Tür bereits von draußen hinter sich zugeworfen.
Boyd legte zwei Fotos zurück in seine Brieftasche. Über die Fingerabdrücke auf dem dritten Bild klebte er die durchsichtigen Folien, die ein Verwischen der gesicherten Abdrücke nun für immer verhinderten.
Die Schwarzhaarige kam herein. Entschlossen, resolut, selbstbewusst und kokett. Sie setzte sich Boyd gegenüber und sorgte dafür, dass ihre wohlgeformten Beine zur Geltung kamen.
Boyd verzog keine Miene. Wenn man in New York acht Jahre lang Dienst bei der Kriminalabteilung der Stadtpolizei getan hat, dann kennt man auch diese Masche zur Genüge.
Der Geschäftsinhaber stecke den Kopf zur Tür herein.
»Stört es Sie, wenn ich an Ihrer Unterhaltung teilnehme?«, fragte er.
»Nein«, sagte Boyd ruhig. »Ganz und gar nicht.«
Er wartete, bis sich auch der Mann gesetzt hatte, dann fing er an, wie spielerisch seine Trümpfe auszuspielen.
»Wo liegen die Zettel mit dem Firmenaufdruck dieses Geschäftes?«, fragte er die Verkäuferin.
»Neben der Registrierkasse.«
»Hm. Es kann also faktisch jeder vom Personal an die Zettel?«
»Ja. In einem unbeobachteten Augenblick könnte es sogar ein Kunde.«
»So, so. Hm. Beschreiben Sie mir doch einmal, wie Sie Ihre Finger gebrauchen, wenn Sie von dem Päckchen einen Zettel herunternehmen!«
Die schwarzhaarige Schönheit sah ihn verwundert an.
»Wie soll man das beschreiben?«, fragte sie.
Mit einem geschickten Griff legte Boyd ein Päckchen Papiere aus seiner Brieftasche auf den Schreibtisch. Dann legte er die Fingerspitzen seiner linken Hand darauf und zog das oberste Blatt weg, indem er gleichzeitig den Daumen darunterschob.
»So ungefähr dürfte das vor sich gehen, nicht wahr?«
Das Mädchen nickte.
»Ja, das ist schon möglich. Ich habe noch nicht darauf geachtet.«
»Verständlich«, sagte Boyd freundlich. »Halten wir nun fest, dass das Papier also von der einen Seite mit den vier Fingern, auf der anderen Seite mit dem Daumen berührt wird. Nun zu dem Foto, das Sie sich angesehen haben.«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich diesen Mann nicht kenne!«
»Ja, ja. Das wusste ich schon vorher. Das Foto stammt aus unserem Archiv. Der Mann darauf ist bereits vor vierzehn Jahren hingerichtet worden, als Sie noch ein Kind waren. Sie konnten ihn also gar nicht kennen.«
Der Geschäftsführer lief rot an vor Zorn.
»Mister, was erlauben Sie sich?«, brüllte er. »Wollen Sie uns hier die kostbare Zeit mit blödsinnigem Theater stehlen?«
»Nein«, sagte Boyd ruhig. »Ich wollte die Fingerabdrücke Ihres Personals haben. Deswegen gab ich Ihren Verkäuferinnen die Bilder in die Hand. Denn auf dem Zettel, der bei den vergifteten Pralinen lag, befanden sich Fingerabdrücke. Auf der vorderen Seite des Zettels ein paar, auf der Rückseite aber nur einer. Das kann nur eines bedeuten: der Zettel ist einmal abgewischt worden, damit keine Fingerabdrücke Zurückbleiben sollten. Aber derjenige, der den Zettel abwischte, tat es nur auf der vorderen Seite. Seinen Daumenabdruck auf der Rückseite vergaß er. Später tippten andere Menschen vom auf den Zettel, ohne ihn abzuwischen. Deswegen ist von dieser einen Persoh nur der Daumenabdruck auf der Rückseite des Zettels erhalten, während von anderen Leuten, die den Zettel später berührten, vom mehrere Fingerabdrücke zurückblieben.«
»Und was geht uns das an?«, fragte der Geschäftsführer. Zum ersten Mal hatte er unbewusst »uns« gesagt statt »mich«. Damit aber war eine bestimmte Verbundenheit zwischen ihm und der Verkäuferin indirekt zugegeben.
Boyd registrierte das mit Interesse. Er war sich noch nicht
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