0097 - Wir sprangen dem Tod ins Genick
Theke. Ich wollte eigentlich nur eine Coca trinken. Na, du weißt ja, wie's geht, wenn man erst mal an der Theke steht.«
»Ja, ja. Aber weich' mal nicht vom Thema ab, Willi. Du warst also hier, als Rock hereinkam. Erzähl doch mal genauer!«
»Was gibt es da schon zu erzählen? Er kam an die Theke und trank was. Ich habe nicht drauf geachtet, was es war.«
»Wer war noch an der Theke an diesem Abend?«
»Tja, wer war noch da? Moment, laß mal nachdenken. Roggy Smith war da, der Heizer von der Handelsschule. Und Bag Lefty, der Hochofenmeister von der United drüben. Und Lewy Bexter, der alte Betrüger, war auch da. Er sprach sogar ‘n paar Worte mit Rock Billing.«
»Ja?« O'Brien konnte seine Ungeduld kaum noch zügeln. Bisher hatte er nichts Genaues darüber erfahren, was sich hier abgespielt hatte, als Rock an der Theke gestanden hatte. Er wußte nur eines: Hier war der Ort, wo man Billing zum letzten Mal gesehen hatte.
»Ja, sicher doch«, nickte Willi. »Sicher sprach Bexter mit Billing. Ich hab's doch selber gehört! Stand doch direkt neben ihnen! Oder glaubst du mir vielleicht nicht? Hay, sag nur noch, du glaubst mir nicht.«
Mit der Eigenwilligkeit des Betrunkenen wiederholte er ein paarmal, daß er niemals lügen würde. Und schon gar nicht, wenn er mit Bill spräche. Denn Bill wäre sein einziger Freund. No, einen Freund würde er nie belügen. Niemals!
»Ich glaub dir's ja!« versicherte O'Brien eindringlich. »Nun sag mir schon, was Bexter mit Rock zu reden hatte!«
»Ach, das war nichts von Bedeutung!«
»Trotzdem! Ich möchte es gern wissen! Erinnere dich! Streng dein Gedächtnis an, Willi! Vielleicht hilft es mir doch ein Stückchen weiter! Manchmal sind die winzigsten Kleinigkeiten von Interesse und von Bedeutung!«
»Ich will es dir ja sagen! Du brauchst nicht so zu drängeln! Man muß ja schließlich auch drüber nachdenken können, nicht? Also die beiden kamen ins Gespräch, weil Bexter — no, das war anders.«
Willi zog die Stirn in Falten und strengte sich an.
»Also Rock Billing zog seine Brieftasche, weil er Geld heraus nehmen wollte. Ich hab's selbst gesehen, wie er zuerst in die Hosentasche griff, aber da hatte er nur noch ‘nen Nickel drin, uncl das reichte natürlich nicht fürs Bezahlen. Also holte er seine Brieftasche heraus.«
»Du hast aber genau hingesehen!« O'Brien grinste.
»Gott, irgendwohin muß der Mensch doch gucken, nicht? Und wie er seine Brieftasche zog, da dachte ich, es käme irgendwas Interessantes. Vielleicht sein Dienstausweis, weil er irgend jemand verhaften wollte, oder sonst irgendwas Interessantes. Da habe ich eben hingeguckt. Na, jedenfalls brachte er nur seine Brieftasche zum Vorschein und nahm ‘nen Geldschein heraus.«
O'Brien trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch.
»Nun reite doch nicht immer nur auf dieser verdammten Brieftasche herum, Willi!« forderte er. »Wie ging's denn nun weiter? Billing zog seine Brieftasche, das hast du jetzt schon zwölfmal gesagt. Und danach! Was war danach? Wieso kam Bexter mit ihm ins Gespräch?«
»Na, als er die Brieftasche zog, da sah Bexter doch, daß er noch die Kanone mit sich rumschleppte! Und da fing er an, von der Kanone zu reden, und ob Rock noch was vorhätte, weil er das Schießeisen noch bei sich hätte, und so weiter.«
»Ach nee!« staunte O'Brien. »Weil Rock noch die Pistole bei sich hatte, kam Bexter gleich auf den Gedanken, daß Rock noch was Dienstliches Vorhaben müßte? Das ist ja sehr interessant!«
O'Brien mußte sofort daran denken, daß niemand im Viertel so recht wußte, wovon Bexter eigentlich jetzt lebte, seit er seine Tätigkeit als Buchmacher aufgegeben hatte. Ob Bexter vielleicht irgendwie mit der Bande zusammenhing? Vielleicht gab er ihr Tips, wo Geld zu holen war, und erhielt dafür seinen Anteil? Auf jeden Fall mußte man der Sache nachgehen.
»Sag mal«, murmelte er halblaut, »hat Bexter telefoniert, nachdem Rock gegangen war?«
Willi sah ihn erstaunt an.
»Woher weißt du denn das? Klar! Ein paar Minuten, nachdem Billing gegangen war, verschwand Bexter hinten in der Ecke in der Telefonzelle und blieb ‘ne ganze Zeit drin!«
»Danke!« sagte O'Brien und stand auf. »Ich habe jetzt keine Zeit mehr! Ich habe sowas in der Nase, was verdammt wie eine Spur von Rocks Mördern aussieht!«
***
»Candle, stehen Sie auf!« sagte ich. Mir war verdammt nicht zum Spaßen zumute. Wenn das Messer eines Sadisten blutbesudelt ist, dann kann man hundert gegen eins
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