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0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

Titel: 0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich und die Tote ohne Gesicht
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das ich mich setze. Was ich mit Ihnen zu besprechen habe, dauert etwas. Es handelt sich um einige Informationen. Erlauben Sie, dass ich Ihnen zuvor mein Beileid ausdrücke.«
    Ich setzte mich in einen pompösen Sessel und sah mir Red Marrs Anwalt näher an.
    Sein Kopf war leicht vornübergeneigt, als wüchse der Hals nicht aus den Schultern, sondern aus dem Brustansatz hervor. Er hielt sich nicht krumm, doch es wirkte so. Sein Gesicht war männlich und braun. Die Augen sah man nicht im Schatten der Brauenbogen. Sie schienen mir hell. Das Haar war graumeliert und weich, nach hinten zurückgestrichen und seidig glänzend. Er trug einen dunklen Anzug und schwarze Krawatte. Der Anzug konnte nur aus dem Atelier von Brooks Brothers, Broadway, stammen.
    Ich dachte an die Telgrammkopie in meiner Brieftasche mit dem Satz: »Zeige R. die kalte Schulter, dann soll es zwischen uns wieder werden wie früher.« Jetzt konnte ich sie erst verstehen. Susan Marr und der Anwalt ihres Vaters hatten ein Techtelmechtel miteinander. Ob die Eifersucht Jana begründet war, stand auf einem anderen Blatt.
    »Ich danke Ihnen für Ihr Beileid. Mr. Cotton«, sagte er und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. »Der Anblick heute Morgen in aller Frühe war fürchterlich. Ich habe Major Westhanger, dem Leiter der Polizeizentrale in Middleville, unverblümt meine Meinung zu verstehen gegeben, wie eine solche unsachgemäße und unwürdige Behandlung eingelieferter Toter überhaupt möglich sein kann. Nun, der Mann, den man hätte zur Verantwortung ziehen können, ist von drei Gangstern ermordet worden.«
    Er warf einen diskreten Blick auf seine Armbanduhr. »Leider ist meine Zeit beschränkt«, fuhr er fort. »Ich muss dringend verreisen. Der äußerst unglückselige Unfall meiner Frau darf leider nicht die Pläne beeinträchtigen, die ich wegen der Verlegung meiner Praxis nach Chicago bereits längere Zeit vor diesem tragischen Ereignis gemacht habe.«
    Ich war überrascht, ließ es mir aber nicht anmerken. Also nach Chicago wollte sich Robert Harker absetzen.
    Schön, sollte er. Die Stadt am Michigan-See lag nicht weit.
    »Sie halten den Tod Ihrer Gattin für einen Unglücksfall, Mr. Harker?«
    »Was könnte es sonst sein, frage ich Sie. Ich nehme an, dass Jana am Ufer des Flusses entlangspazieren ging, einen Fehltritt machte und ins Wasser fiel. Vergessen Sie bitte nicht, dass es sehr neblig und der Boden glitschig war.«
    Seine Hände zitterten, seine Schultern bebten wie im Schüttelforst. So ein bisschen Mitleid empfand ich für den vermeintlichen Witwer, obgleich eine Liebschaft mit dem grünäugigen Marr-Mädchen ihn nicht unerheblich belastete. Konnte er nicht den großen Bluff selbst inszeniert haben, um sich der im Wege stehenden Ehefrau zu entledigen, indem er ihren offiziellen Tod vortäuschte und sie inoffiziell in aller Stille hatte umbringen lassen? Ich war von der Ansicht meines Chefs, Jana lebte noch, nicht so sicher überzeugt.
    Ich erzählte ihm von dem Brief seiner Frau an das FBI und dass ich gestern in seiner Villa in Middleville gewesen war. Ich erzählte ihm noch mehr, natürlich nur soweit, wie ich es für richtig hielt. Das Telegramm verschwieg ich. Einmal sehen, dachte ich mir, ob er Farbe bekennt.
    »Sie sind Anwalt«, sagte ich. »Daher brauchen Sie sicher keinen Rat von mir. Aber ich denke, dass es für Sie am besten ist, wenn Sie mir offen erzählen, was Sie wissen. Vielleicht erleichtert es die Sache, wenn ich Fragen stelle.«
    »Tun Sie das, Mr. Cotton.«
    »Was wissen Sie von dem Brief Ihrer Gattin an uns?«
    »Nichts gar nichts. Und wenn ich davon erfahren hätte, wäre ich in Versuchung gekommen, meine Frau für nicht ganz zurechnungsfähig zu halten.«
    »War Ihre Ehe glücklich?«
    »Wie meinen Sie das?«, fuhr er hoch.
    »Nun«, sagte ich unbewegt, »man munkelt von ehelichen Differenzen und so weiter.«
    »Gut, ich will Ihnen reinen Wein einschenken«, sagte er mit zerknirschter Meine. »Wir hatten uns, wie man so sagt, auseinandergelebt, waren buchstäblich nur noch Bekannte. Ich blieb fast ständig in meiner Stadtwohnung am Madison Square, Jana in der Ferret-Villa. Höchstens zum Wochenende kam ich mal raus. Als ich sie davon in Kenntnis setzte, dass ich beabsichtigte, mein Hauptbüro nach Chicago zu verlegen, war sie wenig interessiert.«
    »Einer Ihrer Hauptklienten ist doch Red Marr, nicht wahr. Und diesen guten Kunden wollen Sie aufgeben? Sie lassen den Mann im Stich, durch den Sie erst etwas geworden

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